Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

3 
 Juni 
 
2016

abgelegt in
Gedankenschau

 

Meine fernhin liegenden Wanderwege aus der Vogelperspektive muten sich an wie die “thrakischen Heimatwälder” des antiken Sängers Orpheus…

 
 
27 
 November 
 
2015


 
Oh, entflieht doch, ihr schweigsamen,
mir einst teuren Gefilden,
entfremdeter Natur betöret mich ferner
Chloris’ welkes Blumenband
jenseits heiler Kunst!

Mehr verlanget mich
nach eines fühlend’ Herzens kühlem Schattenhaine,
wo des Sängers totgeschwiegener Geist frei wandeln darf,
wo lausches Ohr ihm zugeneigt
und bäldigste Genesung wird zuteil
durch heiliger Lippen balsamischer Rede.

Nur dort frohlockt,
erbebt die matte Brust in sel’gem Jubilieren,
wiegt sich beflügelter Gedanken zwitschernder Reigen
in höchsten Tannenwipfeln.

Und des spendenden Trostes treues Geleit
stützt der Bürde schweren Gang,
auf dem rauen Steg der wirren Zeit.

Heil den Trösterworten,
die mit wahrem Frühlingstau
die Wunden lindernd mir benetzen,
die befiedert als zwitschernd und fächelnde Schar
mich mit süßem Singspiel sonnen
und zarter Worthauch mich zugleich bekühlet.

Ewigerschallender Hymnengesang
dem reinen Gedankenweben heiliger Empfindung,
dessen Worte Blumenlese mit duftender Entsendung
vermag das fahle Haupt mir schmückend zu bekränzen,
liebgeflochten die Schläfe adelnd zu umwinden.

Doch er welkte dahin, der mattgewordene Rosenblick,
flaut kehrte sich die ambrosische Brise ihrer Seele Zauberhauch.

Scheidend löst ein buntes Blatt sich vom Geäste,
munter tanzend in den gold’nen Morgenlüften
lockt es eifernd zu dem letzen Freudenfeste
Laubgesell’n, in ihren farbenfrohen Klüften,
um nach berauschtem Himmelsritt
kühn im stählernen Blau,
gleitend zu landen im spinnbenetzten Gräsertau.

Der milde Sommer im Busen verstreicht
und weicht
dem fahlen Welken muntrer Tage.

 
 
17 
 Juli 
 
2012


 

DICHTUNG Ingeborg Bachmann
BEREITSTELLUNG Janina Goe


 

Wie Orpheus spiel ich
auf den Saiten des Lebens den Tod
und in die Schönheit der Erde
und deiner Augen, die den Himmel verwalten,
weiß ich nur Dunkles zu sagen.

Vergiß nicht, daß auch du, plötzlich,
an jenem Morgen, als dein Lager
noch naß war von Tau und die Nelke
an deinem Herzen schlief,
den dunklen Fluß sahst,
der an dir vorbeizog.

Die Saite des Schweigens
gespannt auf die Welle von Blut,
griff ich dein tönendes Herz.
Verwandelt ward deine Locke
ins Schattenhaar der Nacht,
der Finsternis schwarze Flocken
beschneiten dein Antlitz.

Und ich gehör dir nicht zu.
Beide klagen wir nun.

Aber wie Orpheus weiß ich
auf der Seite des Todes das Leben
und mir blaut
dein für immer geschlossenes Aug.