6 November 2020 | |
Säule 17 Des Herzens Feuerschale Lerne vom Schauspieler! |
Aus den Briefen Epiktets [1]fiktiv
an Lucius Flavius Arrianus [2]Zusammenfassung aus: “Handbüchlein der Moral”
Verlage: Ad Fontes, Reclam, Anaconda
an Lucius Flavius Arrianus [2]Zusammenfassung aus: “Handbüchlein der Moral”
Verlage: Ad Fontes, Reclam, Anaconda
Bühne allein ist die Welt und Akteure sind wir dieses Schauspiels!
Handlung und Ort längst erdacht, spiele ein jeder getreu
eifernd die Rolle, die beschieden ihm ward und spiel’ nach
bestem Vermögen [3]Ermessen sie wohl [4]gut, wirkend in dienlicher Kraft!
Weise gewählt hat der Dichter des Weltengeschehns die Figuren
und mit Talenten bedacht, wem sie zu spielen es gilt!
Üb’ in der Spielkunst dich nun und befleiße dich in deiner Rolle!
Wer sie ersonnen dir hat, sei nicht dein Teil [5]liegt nicht an dir, nur allein
gut sie zu spielen!
Hieß einen Bettler man dich: Sei bescheiden,
aller Drangsal zum Trotz, brich’ mit Frohdank dein Brot!
Und obliegt dir das Amt des Monarchen, regier’ mit Bedacht und
werde dem niederen Mann erster Diener im Reich,
mehre mit edler’m Geschick[6]weisem Verstand// wohlweiser Macht // mit wohlweisem Geschicke deines Volkes erhoffendes Heil!
So führ’ ob der Not keine Klage, noch rühme dich glücklichen Standes!
Welches Los dir auch fiel war eines and’ren Geheiß! [7]Wes Los auch Dir ward zuteil, Wes Los auch Dir ward zuteil, JENER ersonn es für dich!
Handlung und Ort längst erdacht, spiele ein jeder getreu
eifernd die Rolle, die beschieden ihm ward und spiel’ nach
bestem Vermögen [3]Ermessen sie wohl [4]gut, wirkend in dienlicher Kraft!
Weise gewählt hat der Dichter des Weltengeschehns die Figuren
und mit Talenten bedacht, wem sie zu spielen es gilt!
Üb’ in der Spielkunst dich nun und befleiße dich in deiner Rolle!
Wer sie ersonnen dir hat, sei nicht dein Teil [5]liegt nicht an dir, nur allein
gut sie zu spielen!
Hieß einen Bettler man dich: Sei bescheiden,
aller Drangsal zum Trotz, brich’ mit Frohdank dein Brot!
Und obliegt dir das Amt des Monarchen, regier’ mit Bedacht und
werde dem niederen Mann erster Diener im Reich,
mehre mit edler’m Geschick[6]weisem Verstand// wohlweiser Macht // mit wohlweisem Geschicke deines Volkes erhoffendes Heil!
So führ’ ob der Not keine Klage, noch rühme dich glücklichen Standes!
Welches Los dir auch fiel war eines and’ren Geheiß! [7]Wes Los auch Dir ward zuteil, Wes Los auch Dir ward zuteil, JENER ersonn es für dich!
Fußnoten
10 April 2018 | |
DICHTUNG | Rainer Maria Rilke | |
LESUNG | Gert Westphal | |
BEREITSTELLUNG | wortlover |
Wir wissen nichts von diesem Hingehn, das
nicht mit uns teilt. Wir haben keinen Grund,
Bewunderung und Liebe oder Haß
dem Tod zu zeigen, den ein Maskenmund
tragischer Klage wunderlich entstellt.
Noch ist die Welt voll Rollen, die wir spielen.
Solang wir sorgen, ob wir auch gefielen,
spielt auch der Tod, obwohl er nicht gefällt.
Doch als du gingst, da brach in diese Bühne
ein Streifen Wirklichkeit durch jenen Spalt
durch den du hingingst: Grün wirklicher Grüne,
wirklicher Sonnenschein, wirklicher Wald.
Wir spielen weiter. Bang und schwer Erlerntes
hersagend und Gebärden dann und wann
aufhebend; aber dein von uns entferntes,
aus unserm Stück entrücktes Dasein kann
uns manchmal überkommen, wie ein Wissen
von jener Wirklichkeit sich niedersenkend,
so daß wir eine Weile hingerissen
das Leben spielen, nicht an Beifall denkend.
31 Dezember 2017 | |
Leitsatz (0:00)
Erich Mühsam (1878 – 1934)
Erich Mühsam (1878 – 1934)
Fürcht nicht die Stunde, da du stirbst.
Die Welt, o glaubs nur, kann dich missen.
Kein Stern, um dessen Licht du wirbst,
Wird mit dir in den Tod gerissen.
Solang du lebst, wirst du gebraucht.
Soll dich das Leben nicht vergessen,
Sorg, dass die Tat nicht untertaucht,
An der du deine Kraft gemessen.
Leb, dass du stündlich sterben kannst,
In Pflicht und Freude stark und ehrlich.
Nicht dich – das Werk, das du begannst,
Mach für die Menschheit unentbehrlich!
Die Welt, o glaubs nur, kann dich missen.
Kein Stern, um dessen Licht du wirbst,
Wird mit dir in den Tod gerissen.
Solang du lebst, wirst du gebraucht.
Soll dich das Leben nicht vergessen,
Sorg, dass die Tat nicht untertaucht,
An der du deine Kraft gemessen.
Leb, dass du stündlich sterben kannst,
In Pflicht und Freude stark und ehrlich.
Nicht dich – das Werk, das du begannst,
Mach für die Menschheit unentbehrlich!
Der Revoluzzer (1:33)
Erich Mühsam (1878 – 1934)
Erich Mühsam (1878 – 1934)
War einmal ein Revoluzzer
im Zivilstand Lampenputzer;
ging im Revoluzzerschritt
mit den Revoluzzern mit.
Und er schrie: “Ich revolüzze!”
Und die Revoluzzermütze
schob er auf das linke Ohr,
kam sich höchst gefährlich vor.
Doch die Revoluzzer schritten
mitten in der Straßen Mitten,
wo er sonsten unverdrutzt
alle Gaslaternen putzt.
Sie vom Boden zu entfernen,
rupfte man die Gaslaternen
aus dem Straßenpflaster aus,
zwecks des Barrikadenbaus.
Aber unser Revoluzzer
schrie: “Ich bin der Lampenputzer
dieses guten Leuchtelichts.
Bitte, bitte, tut ihm nichts!
Wenn wir ihn’ das Licht ausdrehn,
kann kein Bürger nichts mehr sehen.
Lasst die Lampen stehn, ich bitt! –
Denn sonst spiel ich nicht mehr mit!”
Doch die Revoluzzer lachten,
und die Gaslaternen krachten,
und der Lampenputzer schlich
fort und weinte bitterlich.
Dann ist er zu Haus geblieben
und hat dort ein Buch geschrieben:
nämlich, wie man revoluzzt
und dabei doch Lampen putzt.
im Zivilstand Lampenputzer;
ging im Revoluzzerschritt
mit den Revoluzzern mit.
Und er schrie: “Ich revolüzze!”
Und die Revoluzzermütze
schob er auf das linke Ohr,
kam sich höchst gefährlich vor.
Doch die Revoluzzer schritten
mitten in der Straßen Mitten,
wo er sonsten unverdrutzt
alle Gaslaternen putzt.
Sie vom Boden zu entfernen,
rupfte man die Gaslaternen
aus dem Straßenpflaster aus,
zwecks des Barrikadenbaus.
Aber unser Revoluzzer
schrie: “Ich bin der Lampenputzer
dieses guten Leuchtelichts.
Bitte, bitte, tut ihm nichts!
Wenn wir ihn’ das Licht ausdrehn,
kann kein Bürger nichts mehr sehen.
Lasst die Lampen stehn, ich bitt! –
Denn sonst spiel ich nicht mehr mit!”
Doch die Revoluzzer lachten,
und die Gaslaternen krachten,
und der Lampenputzer schlich
fort und weinte bitterlich.
Dann ist er zu Haus geblieben
und hat dort ein Buch geschrieben:
nämlich, wie man revoluzzt
und dabei doch Lampen putzt.
Die Monate des Jahres (3:11)
Erich Mühsam (1878 – 1934)
Erich Mühsam (1878 – 1934)
Januar:
Der Reiche klappt den Pelz empor,
Und mollig glüht das Ofenrohr.
Der Arme klebt, dass er nicht frier,
Sein Fenster zu mit Packpapier.
Februar:
Im Fasching schaut der reiche Mann
Sich gern ein armes Mädchen an.
Wie zärtlich oft die Liebe war,
Wird im November offenbar.
März:
Achtzehnachtundvierzig schien
Die neue Zeit heraufzuziehn.
Ihr, meine Zeitgenossen, wisst,
Dass heut noch nicht mal Vormärz ist.
April:
Wer Diplomate werden will,
Nehm sich ein Muster am April.
Aus heiterm Blau bricht der Orkan,
Und niemand hat’s nachher getan.
Mai:
Der Revoluzzer fühlt sich stark.
Des Reichen Vorschrift ist ihm Quark.
Er feiert stolz den ersten Mai.
(Doch fragt er erst die Polizei.)
Juni:
Mit Weib und Kind in die Natur,
Zur Heilungs-, Stärkungs-, Badekur.
Doch wer da wandert bettelarm,
Den schnappt der würdige Gendarm.
Juli:
Wie so ein Schwimmbad doch erfrischt,
Wenns glühend heiß vom Himmel zischt!
Dem Vaterland dient der Soldat,
Kloppt Griffe noch bei dreißig Grad.
August:
Wie arg es zugeht auf der Welt,
Wird auf Kongressen festgestellt.
Man trinkt, man tanzt, man redet froh,
Und alles bleibt beim Status quo.
September:
Vorüber ist die Ferienzeit.
Der Lehrer hält den Stock bereit.
Ein Kind sah Berg und Wasserfall,
Das andre nur den Schweinestall.
Oktober:
Zum Herbstmanöver rücken an
Der Landwehr- und Reservemann.
Es drückt der Helm, es schmerzt das Bein.
O welche Lust, Soldat zu sein!
November:
Der Tag wird kurz. Die Kälte droht.
Da tun die warmen Kleider not.
Ach, wärmte doch der Pfandschein so
Wie der versetzte Paletot!
Dezember:
Nun teilt der gute Nikolaus
Die schönen Weihnachtsgaben aus.
Das arme Kind hat sie gemacht,
Dem reichen werden sie gebracht.
Der Reiche klappt den Pelz empor,
Und mollig glüht das Ofenrohr.
Der Arme klebt, dass er nicht frier,
Sein Fenster zu mit Packpapier.
Februar:
Im Fasching schaut der reiche Mann
Sich gern ein armes Mädchen an.
Wie zärtlich oft die Liebe war,
Wird im November offenbar.
März:
Achtzehnachtundvierzig schien
Die neue Zeit heraufzuziehn.
Ihr, meine Zeitgenossen, wisst,
Dass heut noch nicht mal Vormärz ist.
April:
Wer Diplomate werden will,
Nehm sich ein Muster am April.
Aus heiterm Blau bricht der Orkan,
Und niemand hat’s nachher getan.
Mai:
Der Revoluzzer fühlt sich stark.
Des Reichen Vorschrift ist ihm Quark.
Er feiert stolz den ersten Mai.
(Doch fragt er erst die Polizei.)
Juni:
Mit Weib und Kind in die Natur,
Zur Heilungs-, Stärkungs-, Badekur.
Doch wer da wandert bettelarm,
Den schnappt der würdige Gendarm.
Juli:
Wie so ein Schwimmbad doch erfrischt,
Wenns glühend heiß vom Himmel zischt!
Dem Vaterland dient der Soldat,
Kloppt Griffe noch bei dreißig Grad.
August:
Wie arg es zugeht auf der Welt,
Wird auf Kongressen festgestellt.
Man trinkt, man tanzt, man redet froh,
Und alles bleibt beim Status quo.
September:
Vorüber ist die Ferienzeit.
Der Lehrer hält den Stock bereit.
Ein Kind sah Berg und Wasserfall,
Das andre nur den Schweinestall.
Oktober:
Zum Herbstmanöver rücken an
Der Landwehr- und Reservemann.
Es drückt der Helm, es schmerzt das Bein.
O welche Lust, Soldat zu sein!
November:
Der Tag wird kurz. Die Kälte droht.
Da tun die warmen Kleider not.
Ach, wärmte doch der Pfandschein so
Wie der versetzte Paletot!
Dezember:
Nun teilt der gute Nikolaus
Die schönen Weihnachtsgaben aus.
Das arme Kind hat sie gemacht,
Dem reichen werden sie gebracht.
Soldatenlied (nicht rezitiert)
Erich Mühsam (1878 – 1934)
Erich Mühsam (1878 – 1934)
Wir lernten in der Schlacht zu stehn
Bei Sturm und Höllenglut.
Wir lernten in den Tod zu gehn,
Nicht achtend unser Blut.
Und wenn sich einst die Waffe kehrt
Auf die, die uns den Kampf gelehrt,
Sie werden uns nicht feige sehn.
Ihr Unterricht war gut.
Wir töten, wie man uns befahl,
Mit Blei und Dynamit,
Für Vaterland und Kapital,
Für Kaiser und Profit.
Doch wenn erfüllt die Tage sind,
Dann stehn wir auf für Weib und Kind
Und kämpfen, bis durch Dunst und Qual
Die lichte Sonne sieht.
Soldaten! Rufts von Front zu Front:
Es ruhe das Gewehr!
Wer für die Reichen bluten konnt,
Kann für die Seinen mehr.
Ihr drüben! Auf zur gleichen Pflicht!
Vergesst den Freund im Feinde nicht!
In Flammen ruft der Horizont
Nach Hause jedes Heer.
Lebt wohl, ihr Brüder! Unsre Hand,
Dass ferner Friede sei!
Nie wieder reiß das Völkerband
In rohem Krieg entzwei.
Sieg allen in der Heimatschlacht!
Dann sinken Grenzen, stürzt die Macht,
Und alle Welt ist Vaterland,
Und alle Welt ist frei!
Bei Sturm und Höllenglut.
Wir lernten in den Tod zu gehn,
Nicht achtend unser Blut.
Und wenn sich einst die Waffe kehrt
Auf die, die uns den Kampf gelehrt,
Sie werden uns nicht feige sehn.
Ihr Unterricht war gut.
Wir töten, wie man uns befahl,
Mit Blei und Dynamit,
Für Vaterland und Kapital,
Für Kaiser und Profit.
Doch wenn erfüllt die Tage sind,
Dann stehn wir auf für Weib und Kind
Und kämpfen, bis durch Dunst und Qual
Die lichte Sonne sieht.
Soldaten! Rufts von Front zu Front:
Es ruhe das Gewehr!
Wer für die Reichen bluten konnt,
Kann für die Seinen mehr.
Ihr drüben! Auf zur gleichen Pflicht!
Vergesst den Freund im Feinde nicht!
In Flammen ruft der Horizont
Nach Hause jedes Heer.
Lebt wohl, ihr Brüder! Unsre Hand,
Dass ferner Friede sei!
Nie wieder reiß das Völkerband
In rohem Krieg entzwei.
Sieg allen in der Heimatschlacht!
Dann sinken Grenzen, stürzt die Macht,
Und alle Welt ist Vaterland,
Und alle Welt ist frei!
Angst packt mich an (7:06)
Erich Mühsam (1878 – 1934)
Erich Mühsam (1878 – 1934)
Angst packt mich an,
Denn ich ahne, es nahen Tage
Voll großer Klage.
Komm du, komm her zu mir!
Wenn die Blätter im Herbst ersterben,
Und die Flüsse sich trüber färben,
Und sich die Wolken ineinander schieben,
Dann komm du, komm
Schütze mich.
Fass meine Hand an.
Hilf mir lieben.
Denn ich ahne, es nahen Tage
Voll großer Klage.
Komm du, komm her zu mir!
Wenn die Blätter im Herbst ersterben,
Und die Flüsse sich trüber färben,
Und sich die Wolken ineinander schieben,
Dann komm du, komm
Schütze mich.
Fass meine Hand an.
Hilf mir lieben.