Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

22 
 Juli 
 
2015


 

Nur Einen Sommer gönnt, ihr Gewaltigen!
Und einen Herbst zu reifem Gesange mir,
Daß williger mein Herz, vom süßen
Spiele gesättiget, dann mir sterbe.

Die Seele, der im Leben ihr göttlich Recht
Nicht ward, sie ruht auch drunten im Orkus nicht;
Doch ist mir einst das Heilge, das am
Herzen mir liegt, das Gedicht, gelungen,

Willkommen dann, o Stille der Schattenwelt!
Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenspiel
Mich nicht hinab geleitet; Einmal
Lebt ich, wie Götter, und mehr bedarfs nicht.

 

Nicht umsonst gilt die Dichtung Hölderlins als die am schwierigsten zu verstehende. Viel geht verloren, wenn man die Gedichte nur in Hinblick auf eine Inhaltsangabe liest. Das Wesentliche und das Wichtige findet man dort nie. “An die Parzen” ist ein Lobgesang auf die Schicksalsgöttinnen, aber gleichzeitig eine Bitte um Linderung eines Herzschmerzes. Gerade weil Herz und Seele so eng miteinander verknüpft und verwebt sind, kann das Gedicht, welches aus der gottesähnlichen Seele entspringt, das Herz zwar sättigen, aber in diesem Verb “sättigen” offenbart sich das Dilemma: Das Herz übernimmt die Oberhand und wird hungrig. Wenn es soweit ist, bleibt einem nur der bittende Gesang an die Parzen…(Anm. von Karl Kraatz)

 

 
 
31 
 März 
 
2015

abgelegt in
Gedankenschau

 

Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden Deine Worte.
Achte auf Deine Worte, denn sie werden Deine Handlungen.
Achte auf Deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.
Achte auf Deine Gewohnheiten, denn sie werden Dein Charakter.
Achte auf Deinen Charakter, denn er wird Dein Schicksal.

Klosterinschrift in England

 
 
15 
 März 
 
2013


 

Des Menschen Seele gleicht dem Wasser:
Vom Himmel kommt es, zum Himmel steigt es,
und wieder nieder zur Erde muß es, ewig wechselnd.

Strömt von der hohen, steilen Felswand der reine Strahl,
dann stäubt er lieblich in Wolkenwellen zum glatten Fels,
und leicht empfangen, wallt er verschleiernd,
leisrauschend zur Tiefe nieder.

Ragen Klippen dem Sturz entgegen,
schäumt er unmutig stufenweise zum Abgrund.

Im flachen Bette schleicht er das Wiesental hin,
und in dem glatten See weiden ihr Antlitz alle Gestirne.

Wind ist der Welle lieblicher Buhler;
Wind mischt vom Grund aus schäumende Wogen.

Seele des Menschen, wie gleichst du dem Wasser!
Schicksal des Menschen, wie gleichst du dem Wind!

 

Textdichter Johann Wolfgang von Goethe
Lesung Ulrich Mühe
Bereitstellung 59Berger