Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

6 
 August 
 
2015


 

Das größte Geheimnis des Glücks ist, mit sich selbst im Reinen zu sein. [1]Bernard Le Bovier de Fontenelle (1657 – 1757),
französischer Schriftsteller und Sekretär der Akademie der Wissenschaften

Die Bejahung des eigenen Lebens, des eigenen Glücks und Wachstums und der eigenen Freiheit ist in der Liebesfähigkeit eines jeden verwurzelt. […]
Wenn ein Mensch fähig ist, produktiv zu lieben, dann liebt er auch sich selbst; wenn er nur andere lieben kann, dann kann er überhaupt nicht lieben. [2]Erich Fromm: Die Kunst des Liebens.
Liebe als Antwort auf das Problem der menschlichen Existenz.
S.84,85.

 

 

Ja, mein Glück, das lang gewohnte,
Endlich hat es mich verlassen!
– Ja, die liebsten Freunde seh ich
Achselzuckend von mir weichen,
Und die gnadenreichen Götter,
Die am besten Hülfe wüßten,
Kehren höhnisch mir den Rücken.
Was beginnen? Werd’ ich etwa,
Meinen Lebenstag verwünschend,
Rasch nach Gift und Messer greifen?
Das sei ferne! Vielmehr muss man
Stille sich im Herzen fassen.

Und ich sprach zu meinem Herzen:
Lass uns fest zusammenhalten!
Denn wir kennen uns einander,
Wie ihr Nest die Schwalbe kennet,
Wie die Zither kennt den Sänger,
Wie sich Schwert und Schild erkennen,
Schild und Schwert einander lieben.
Solch ein Paar, wer scheidet es?

Als ich dieses Wort gesprochen,
Hüpfte mir das Herz im Busen,
Das noch erst geweinet hatte.

 

Dichtung Eduard Mörike
Vertonung Oskar Werner
Bereitstellung 59Berger

Fußnoten[+]

 
 
22 
 Mai 
 
2011


 

Himmlischer Gnaden zuteil,
sandtest uns du damals, Mutter der Musen, des Abakus‘ Geist im
Spiel der Weisen herab, dessen tiefes Geheimnis sich still dem
Forschenden will offenbaren, wenn er bedächtig das Führen
edler Figuren auf vorgezeichneten Bahnen vollziehet,
wie auch das ewig waltende Schicksal daselbst gestrengen
Bahnen und Ordnungen folgt.

So beugt sich der Spieler nun auch im
Schach den Gesetzen höherer Ordnung:

Beschreitet Pfade geöffneter Linien,
einst ihm verschlossen, nunmehr des eisernen Riegels befreit.

Was durch des Argen Hand in Besitz genommen, wo Verwüstung gar drohte,
löst wie Nebel sich auf und bescheret den Schauernden
mit friedvollem Feld zur ewigen Rast.

Von Wolken verhangen gewahret kein Auge das Weite, doch ihrer zerrissen
strahlet das Glück nun frei übers weite Gefild und
endiget erst im letzten Winkel der Welt.

Der Fronten erstarrt, beflügelt die nun gesprengte Blockade den gehemmten
Fuß zu vollenden den Lauf, zu erlangen den siegreichen Lorbeer.

*

Ehrwürd’ges Schachspiel, dein Weltengebäu ist Sinnbild uns,
Erquickung und Mahnung zugleich,
spiegelst Triumph und Drangsal des menschlichen Lebens in vielfach
wechselnder Weise. Erzeig’ uns den hohen Willen, der in dir
wohnt und lehre uns handeln nach seinen Gesetzen!