| 20 August 2018 | |
Weitere Informationen zur Fürstengruft finden sich auf der Seite der Klassik Stiftung Weimar.
Friedrich Schiller starb 1805. Sein Leichnam wurde im Kassengewölbe des Jakobskirchhofes in Weimar beigesetzt. Ende 1825 meldete die Verwaltung, das Kassengewölbe müsse dringend „zusammengeräumt“ werden, weil „fast gar kein Sarg mehr hineingestellt werden könne“. Am 13. März 1826 stiegen der Weimarer Bürgermeister Carl Leberecht Schwabe, der Oberbaudirektor Clemens Wenzeslaus Coudray, der Leihmedicus Dr. Schwabe und der Stadtschreiber und Hofadvokat Aulhorn in die Gruft. Doch dort herrschte „ein Chaos von Moder und Fäulnis“ und als die Untersuchung der Namensschilder nicht dazu führte, „Gewißheit und Wahrheit darüber zu erlangen, welches hier die irdischen Überreste Schillers seien“, wurde das Unternehmen abgebrochen.
In einer heimlichen Nachtaktion bestellte Schwabe einen Totengräber und drei Tagelöhner um Mitternacht auf den Friedhof, verpflichtete sie zu absolutem Stillschweigen und ließ sie nach den Gebeinen Schillers suchen. Diese Aktion dauerte drei Nächte, dann hatte Schwabe dreiundzwanzig Schädel beisammen, die er in einem Sack zu sich nach Hause bringen ließ. Dort zog Schwabe, der Schiller noch persönlich gekannt hatte, auch den noch lebenden Sargtischler und Schillers Diener Rudolf hinzu, um den richtigen Schädel herauszufinden, indem sie die Schädel durch Messungen mit Schillers Totenmaske verglichen. Am Ende wählte Schwabe den größten Schädel, der der einzige war, der sich durch seine Größe und durch edle, regelmäßige Gestaltung von den anderen abhob.Quelle: WikiPedia
Als Goethe das nachfolgende Gedicht schrieb, hatte er einen Totenschädel vor sich, den er für den Friedrich Schillers hielt. Dies geschah allerdings nicht im Beinhaus, sondern in Goethes Haus, wo der Schädel auf einem blauen Samtkissen unter einem Glassturz lag.
| DICHTUNG | Johann wolfgang von Goethe | |
| LESUNG | Gert Westphal |
Bei Betrachtung von Schillers Schädel
Im ernsten Beinhaus wars, wo ich beschaute,
Wie Schädel Schädeln angeordnet paßten;
Die alte Zeit gedacht ich, die ergraute.
Sie stehn in Reih geklemmt, die sonst sich haßten,
Und derbe Knochen, die sich tödlich schlugen,
Sie liegen kreuzweis, zahm allhier zu rasten.
Entrenkte Schulterblätter! was sie trugen,
Fragt niemand mehr, und zierlich tätge Glieder,
Die Hand, der Fuß, zerstreut aus Lebensfugen.
Ihr Müden also lagt vergebens nieder,
Nicht Ruh im Grabe ließ man euch, vertrieben
Seid ihr herauf zum lichten Tage wieder,
Und niemand kann die dürre Schale lieben,
Welch herrlich edlen Kern sie auch bewahrte,
Doch mir Adepten war die Schrift geschrieben,
Die heilgen Sinn nicht jedem offenbarte,
Als ich inmitten solcher starren Menge
Unschätzbar herrlich ein Gebild gewahrte,
Daß in des Raumes Moderkält und Enge
Ich frei und wärmefühlend mich erquickte,
Als ob ein Lebensquell dem Tod entspränge,
Wie mich geheimnisvoll die Form entzückte!
Die gottgedachte Spur, die sich erhalten!
Ein Blick, der mich an jenes Meer entrückte,
Das flutend strömt gesteigerte Gestalten.
Geheim Gefäß! Orakelsprüche spendend,
Wie bin ich wert, dich in der Hand zu halten?
Dich höchsten Schatz aus Moder fromm entwendend
Und in die freie Luft, zu freiem Sinnen,
Zum Sonnenlicht andächtig hin mich wendend.
Was kann der Mensch im Leben mehr gewinnen,
Als daß sich Gott-Natur ihm offenbare?
Wie sie das Feste läßt zu Geist verrinnen,
Wie sie das Geisterzeugte fest bewahre.
Fußnoten
| 17 April 2018 | |
| DICHTUNG | Hermann Hesse | |
| LESUNG | Ulrich Gebauer | |
| BEREITSTELLUNG | LYRIK & MUSIK |
Es fahren leise junge Wolken durchs Blaue,
Kinder singen und Blumen lachen im Gras;
Meine müden Augen, wohin ich schaue,
Wollen vergessen, was ich in Büchern las.
Wahrlich alles Schwere, das ich gelesen,
Stäubt hinweg und war nur ein Winterwahn,
Meine Augen schauen erfrischt und genesen
Eine neue, erquellende Schöpfung an.
Aber was mir im eigenen Herz geschrieben
Von der Vergänglichkeit aller Schöne steht,
Ist von Frühling zu Frühling stehen geblieben,
Wird von keinem Winde mehr weggeweht.
| 16 November 2016 | |
Äußerst kühle, wenngleich zur Jahreszeit passende Gedanken
- Alles, was du siehst, wird sich bald verändern und die, welche diesen Veränderungen zuschauen, werden selbst auch bald vergehen.
Jenes eilt ins Dasein, dieses aus dem Dasein. - Eine unaufhörliche Flut von Veränderungen erneuert stets die Welt.
Wer möchte nur in diesem Strome, wo man keinen festen Fuß fassen kann, irgend eines von den vorüber eilenden Dingen besonders wertschätzen? Das wäre gerade so, als wenn sich jemand in einen vorüberfliegenden Sperling verlieben wollte, der in einem Augenblicke wieder aus den Augen entschwunden ist, ist doch selbst jegliches Menschenleben von ähnlicher Art. - Ist doch selbst jegliches Menschenleben von ähnlicher Art, nichts anderes, als das Aufdampfen von Blut und das Einatmen der Luft.
- Und wenn du nun alle Trennungen, Umwandlungen und Auflösungen, die mit dir vorgegangen sind, erwägst, so frage dich selbst: „War daran etwas Schreckliches? Ebenso wenig wird auch das Aufhören, der Stillstand und die Umwandlung deines ganzes Lebens schrecklich sein!
- Wie bald, und du bist Asche und ein Knochengerippe und nur noch ein Name, oder selbst nicht ein Name mehr ist übrig! Der Name aber ist bloßer Schall und Widerhall. Und die geschätztesten Güter des Lebens sind eitel, modernd, unbedeutend, Hunden gleich, die sich herumbeißen, und Kindern, die sich zanken, bald lachen und dann wieder weinen.
Treue aber und Scham, Gerechtigkeit und Wahrheitsliebe sind zum Olymp der geräumigen Erde entflohen. - Was gibt es also, das dich hier unten zurückhält? Alles Sinnliche ist ja so wandelbar und unbeständig, die Sinne selbst sind aber voll trüber Eindrücke und leicht zu täuschen, und das Seelchen ist selbst nur ein Aufdampfen des Blutes.
- Ehre die Götter, fördere das Heil der Menschen! Kurz ist das Leben, und es gibt nur eine Frucht des irdischen Daseins: eine unsträfliche Gesinnung und gemeinnützige Werke.
- Was kümmert es dich, wenn unter ihnen diese und jene Stimmen über dich laut werden oder sie diese und jene Meinung von dir haben?
- Was ist denn nun der Beachtung wert? Etwa, daß man uns mit den Händen Beifall klatscht? Keineswegs. Mithin auch nicht die Beifallsbezeigungen mit der Zunge. Denn die Lobeserhebungen von seiten des großen Haufens sind doch nichts anderes als ein Zungengeklatsch.
Lass also dein bisschen Ruhm fahren!
Was bleibt aber wirklich Achtungswürdiges übrig? - Wo einem Dinge in noch so beifallswürdiger Gestalt vorgespiegelt werden, sie entlarven, ihren Unwert sich anschaulich machen und ihnen die schimmernde Einkleidung, womit sie sich brüsten, nehmen. Denn der Schein ist ein furchtbarer Betrüger, und gerade wenn man glaubt, sich mit den allerbedeutendsten Dingen zu beschäftigen, bezaubert er am meisten.
| 10 Mai 2016 | |
| DICHTUNG | Rainer Maria Rilke | |
| LESUNG | Fritz Stavenhagen | |
| BEREITSTELLUNG | wortlover |
Jauchze nicht, mein Herz, wenn flüchtig
dich berührt des Glückes Hauch …
Alles Irdische ist nichtig
und die Freude ist es auch.
Klage nicht, mein Herz, wenn quälend
dich ein wildes Weh umfing –
Sieh, vorüber geht das Elend,
wie das Glück vorüber ging!
Trage beides! Denn vorüber
geht die Freude, geht das Leid, –
kämpfe mutig dich hinüber
in den Schoß der Ewigkeit.
Aus dem sogenannten Frühwerk. Prag, November 1893
| 8 April 2016 | |
Sollen sie [die Frauen] ihn doch anbeten…
Ich habe ihn gefunden, den (nicht menschlichen) Schutzpatron aller Mittelmäßigen und jenen werde ich nicht wegen irgend eines nichtigen Schönheitswahnes verleugnen.
Äußere Schönheit macht vielleicht flüchtig das Auge trunken, der innere Hunger nach Geborgenheit, Angenommensein und heiterem Gespräch gepaart mit kindlichem Scherzen bleibt indes ungestillt.
„Auf Schönheit gebaute Liebe stirbt so schnell wie die Schönheit“ [1]John Donne (1572 – 1631), englischer Liebes-Lyriker und bedeutender Prediger.
Fußnoten
| 9 Juni 2012 | |
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Wer nie sein Brot mit Tränen aß – Auszug: Wilhelm Meister (0:42)
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)
Wer nie sein Brot mit Tränen aß,
Wer nie die kummervollen Nächte,
Auf seinem Bette weinend saß,
Der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte.
Ihr führt ins Leben uns hinein,
Ihr lasst den Armen schuldig werden,
Dann überlasst ihr ihn der Pein.
Denn alle Schuld rächt sich auf Erden.
Meeresstille (1:09)
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)
Tiefe Stille herrscht im Wasser.
Ohne Regung ruht das Meer.
Und bekümmert sieht der Schiffer
Glatte Fläche ringsumher.
Keine Luft von keiner Seite!
Todesstille fürchterlich!
In der ungeheuern Weite
Reget keine Welle sich.
Nur wer die Sehnsucht kennt (1:39)
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)
Nur wer die Sehnsucht kennt,
Weiß, was ich leide!
Allein und abgetrennt
Von aller Freude,
Seh ich ans Firmament
Nach jener Seite.
Ach! Die mich liebt und kennt,
Ist in der Weite.
Es schwindelt mir, es brennt
Mein Eingeweide.
Nur wer die Sehnsucht kennt,
Weiß, was ich leide!
Aussöhnung (2:31)
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)
Die Leidenschaft bringt Leiden! – Wer beschwichtigt,
Beklommnes Herz, dich, das all zu viel verloren?
Wo sind die Stunden, überschnell verflüchtigt?
Vergebens war das Schönste dir erkoren!
Trüb ist der Geist, verworren das Beginnen!
Die hehre Welt, wie schwindet sie den Sinnen!
Da schwebt hervor Musik mit Engelsschwingen,
Verflochten zu Millionen Tön um Töne,
Des Menschen Wesen durch und durch zu dringen,
Zu überfüllen ihn mit ewger Schöne.
Das Auge netzt sich, fühlt im höhern Sehnen
Den Götterwert der Töne wie der Tränen.
Und so das Herz erleichtert merkt behende,
Dass es noch lebt und schlägt und möchte schlagen,
Zum reinsten Dank der überreichen Spende
Sich selbst erwidernd willig darzutragen.
Da fühlte sich – o dass es ewig bliebe! –
Das Doppelglück der Töne wie der Liebe!
Gesang der Geister über den Wassern (4:11)
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)
Des Menschen Seele
Gleicht dem Wasser.
Vom Himmel kommt es,
Zum Himmel steigt es,
Und wieder nieder
Zur Erde muss es,
Ewig wechselnd.
Strömt von der hohen,
Steilen Felswand
Der reine Strahl,
Dann stäubt er lieblich
In Wolkenwellen
Zum glatten Fels.
Und leicht empfangen
Wallt er verschleiernd,
Leis rauschend
Zur Tiefe nieder.
Ragen Klippen
Dem Sturz entgegen,
Schäumt er unmutig
Stufenweise
Zum Abgrund.
Im flachen Bette
Schleicht er das Wiesental hin,
Und in dem glatten See
Weiden ihr Antlitz
Alle Gestirne.
Wind ist der Welle
Lieblicher Buhler.
Wind mischt vom Grund aus
Schäumende Wogen.
Seele des Menschen,
Wie gleichst du dem Wasser!
Schicksal des Menschen,
Wie gleichst du dem Wind!
Vermächtnis (5:47)
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)
Kein Wesen kann zu nichts zerfallen!
Das Ewge regt sich fort in allen.
Am Sein erhalte dich beglückt!
Das Sein ist ewig: denn Gesetze
Bewahren die lebendgen Schätze,
Aus welchen sich das All geschmückt.
Das alte Wahre, fass es an!
Sofort nun wende dich nach innen.
Das Zentrum findest du da drinnen,
Woran kein Edler zweifeln mag.
Wirst keine Regel da vermissen,
Denn das selbständige Gewissen
Ist Sonne deinem Sittentag.
Den Sinnen hast du dann zu trauen.
Kein Falsches lassen sie dich schauen,
Wenn dein Verstand dich wach erhält.
Genieße mäßig Füll und Segen.
Vernunft sei überall zugegen,
Wo Leben sich des Lebens freut.
Dann ist Vergangenheit beständig,
Das Künftige voraus lebendig,
Der Augenblick ist Ewigkeit.
Wandrers Nachtlied (8:46)
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)
Über allen Gipfeln
Ist Ruh.
In allen Wipfeln
Spürest du
Kaum einen Hauch.
Die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur,
Balde ruhest du auch.



































