Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

3 
 August 
 
2023

abgelegt in
Hesse, Hermann

 

DICHTUNG Hermann Hesse
LESUNG Hermann Hesse


Frühlingstag

Wind im Gesträuch und Vogelpfiff
Und hoch im höchsten süßen Blau
Ein stilles, stolzes Wolkenschiff. . .
Ich träume von einer blonden Frau,
Ich träume von meiner Jugendzeit,
Der hohe Himmel blau und weit
Ist meiner Sehnsucht Wiege,
Darin ich stillgesinnt
Und selig warm
Mit leisem Summen liege,
So wie in seiner Mutter Arm
Ein Kind.

 
 
28 
 April 
 
2019


 

Deckengemälde im Festsaal
des Wittumspalais der Herzogin Anna Amalia
[1]Quelle: Klassik Stiftung Weimar

 

Der Luftgeist
Ariel


 
MUSIK
Felix Mendelssohn Bartholdy [2]Violin Concerto – I. Allegro, Op. 64


Anmutig:
» Sind Sie Vogelfreund, mein Bester,
und sorgten väterlich mit dieser Stange
für einen Halt zum Bau der Schwalbennester? « [3] aus: “Cyrano von Bergerac” von Edmond Rostand


 


Dem Lüftebezwinger [4] dem erdgeborenen Lüftebezwinger // Himmelsstürmer

So steig’ doch hernieder
vom dunstgestad’nen [5]dunstgestad’nen Ätherblau [6]Wonneblau, Träumerblau
stets kreisender Gedankenschau,
des wolken Worts Gestaltenbau [7]der Wolken Spiel Gestaltenbau
durch heit’ren Geistes Winde milden Widerstreit.

Und neig’ dein Gefieder
hinab zur sich’ren Erdenfeste,
befleißender zum Vogelneste
im traulich heimischen Geäste
der deiner nunmehr zu bewohnten [8]gefußter Wirklichkeit.

Erfreu’ dich wieder
nie müder Lieder [9]ätherisch-himmlisch; Lider: irdisch, erdgebunden
nach sphärischer Reise
im irdischen Kreise!
→ zu Mnemosynes Geleit
Pygmalions Werkstatt

Fußnoten[+]

 
 
25 
 Dezember 
 
2018

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Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

 

Der Reisebecher (2:47)
Conrad Ferdinand Meyer (1825 – 1898)
Gestern fand ich, räumend eines lang vergessnen Schrankes Fächer,
Den vom Vater mir vererbten, meinen ersten Reisebecher.
Währenddes ich, leise singend, reinigt ihn vom Staub der Jahre,
Wars, als höbe mir ein Bergwind aus der Stirn die grauen Haare.
Wars, als dufteten die Matten, drein ich schlummernd lag versunken.
Wars, als rauschten alle Quellen, draus ich wandernd einst getrunken.
Maientag 3:46)
Conrad Ferdinand Meyer (1825 – 1898)
Englein singen aus dem blauen Tag,
Mägdlein singen hinterm Blütenhag,
Jubelnd mit dem ganzen Lenzgesind
Singt mir in vernarbter Brust – ein Kind.
Nicola Pesces 4:28)
Conrad Ferdinand Meyer (1825 – 1898)
Ein halbes Jährchen hab ich nun geschwommen,
Und noch behagt mir dieses kühle Gleiten,
Der Arme lässig Auseinanderbreiten –
Die Fastenspeise mag der Seele frommen!

Halb schlummernd lieg ich stundenlang, umglommen
Von Wetterleuchten, bis auf allen Seiten
Sich Wogen türmen. Männlich gilts zu streiten.
Ich freue mich. Stets bin ich durchgekommen.

Was machte mich zum Fisch? Ein Missverständnis
Mit meinem Weib. Vermehrte Menschenkenntnis,
Mein Wanderdrang und meine Farbenlust.

Die Furcht verlernt ich über Todestiefen,
Fast bis zum Frieren kühlt ich mir die Brust –
Ich bleib ein Fisch, und meine Haare triefen!
Liebeslied 6:08)
Conrad Ferdinand Meyer (1825 – 1898)
Sehnsucht ist Qual!
Der Liebsten wag ichs nicht zu sagen.
Ich wills den dunklen Eichen klagen
Im grünen Tal:
Sehnsucht ist Qual.

Mein Leib vergeht
Wie schmelzend Eis in bleichen Farben.
Sie sieht mich dürsten, lechzen, darben,
Bleibt unerfleht –
Mein Leib vergeht.

Doch mag es sein,
Dass sie an ihrer Macht sich weide!
Ergötzt sie grausam sich an meinem Leide,
Denkt sie doch mein –
Drum mag es sein.

Sehnsucht ist Qual!
Den Kühnsten macht die Folter bange.
Ein Grab, darin ich nichts verlange,
Gib mir, o Tal!
Sehnsucht ist Qual.
Firnelicht 7:22)
Conrad Ferdinand Meyer (1825 – 1898)
Wie pocht das Herz mir in der Brust
Trotz meiner jungen Wanderlust,
Wenn, heimgewendet, ich erschau
Der Schneegebirge süßes Blau,
Das große stille Leuchten!

Ich atme eilig, wie auf Raub,
Der Märkte Dunst, der Städte Staub.
Ich seh den Kampf. Was sagest du,
Mein reines Firnelicht, dazu,
Du stilles großes Leuchten?

Nie prahlt ich mit der Heimat noch
Und liebe sie von Herzen doch!
In meinem Wesen und Gedicht
Allüberall ist Firnelicht,
Das große stille Leuchten.

Was kann ich für die Heimat tun,
Bevor ich geh im Grabe ruhn?
Was geb ich, das dem Tod entflieht?
Vielleicht ein Wort, vielleicht ein Lied,
Ein kleines stilles Leuchten!