Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

28 
 Oktober 
 
2017

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Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

 

Die Blumen des Bösen (Les fleurs du mal) (0:32)
Charles Baudelaire (1821 – 1867)
In Dumpfheit, Irrtum, Sünde, immer tiefer
Versinken wir mit Seele und mit Leib.
Und Reue, diesen lieben Zeitvertreib,
Ernähren wir wie Bettler ihr Geziefer.
Des Teufels Fäden sinds, die uns bewegen.
Wir lieben Graun, berauschen uns im Sumpf.
Und Tag für Tag zerrt willenlos und stumpf
Der Böse uns der Hölle Stank entgegen.
Wie an der Brust gealterter Mätressen,
Der arme Wüstling stillt die tolle Gier,
So haschen nach geheimen Lüsten wir,
Um sie wie dürre Früchte auszupressen.
Der Feind (2:53)
Charles Baudelaire (1821 – 1867)
Mein Kinderland war voll Gewittertagen,
Nur selten hat die Sonne mich gestreift,
Und viele Blüten hat der Blitz zerschlagen,
So dass nur wenig Früchte mir mein Garten reift.
Der Albatros (4:14)
Charles Baudelaire (1821 – 1867)
Oft kommt es vor, dass, um sich zu vergnügen,
Das Schiffsvolk einen Albatros ergreift.
Den großen Vogel, der in lässgen Flügen
Dem Schiffe folgt, das durch die Wogen streift.

Doch, – kaum gefangen auf des Schiffes Planken –
Der stolze König in der Bläue Reich,
Lässt traurig seine mächtgen Flügel hangen,
Die, ungeschickten, langen Rudern gleich,

Nun matt und jämmerlich am Boden schleifen.
Wie ist der stolze Vogel nun so zahm!
Sie necken ihn mit ihren Tabakspfeifen,
Verspotten seinen Gang, der schwach und lahm.

Der Dichter gleicht dem Wolkenfürsten droben,
Er lacht des Schützen hoch im Sturmeswehn.
Doch unten in des Volkes frechem Toben
Verhindern mächtge Flügel ihn am Gehn.
An ein Mädchen aus Mauritius (5:55)
Charles Baudelaire (1821 – 1867)
So fein sind Hand und Fuß, so weich der Hüften Biegen.
Europas Schönste müsst im Wettstreit dir erliegen.
Mein Blick voll Lust den holden Körper schaut,
Und deine dunklen Augen, die schwärzer als die Haut.
Im Morgenwind, wenn leise singen die Platanen,
Kaufst du dir Ananas und saftige Bananen.
Und senkt der Abend dann des Scharlachmantels Schatten,
Streckst du die Glieder sanft auf den geflochtenen Matten,
Und Träume flattern auf, den bunten Vögeln gleich,
Beschwingt und zart wie du, wie du an Anmut reich.

Was zieht dich, glücklich Kind, nach unsrem fernen Lande,
Von Menschen übervoll und voll von Leid und Schande,
Weshalb dich anvertrauen denn den Schiffern und den Winden
Und heißen Abschied nehmen nun von deinen Tamarinden?
Ach Mädchen, halbbekleidet nur mit zartem Musselin,
Wenn dich der Hagel trifft, Schneestürme dich umziehn,
Wie wirst du weinen um die Tage, die verrannen,
Wie wird ein Mieder dir die Hüften roh umspannen!
Und wenn du müde ziehst durch unsren Schlamm und Kot,
Und deinen fremden Reiz verkaufst ums Abendbrot,
Dann wird dein Auge starr durch trübe Nebel träumen,
Und du siehst fern und wirr Schatten von Kokosbäumen.
 
 
29 
 März 
 
2012

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Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

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Das Paradies (0:28)
Gotthold Ephraim Lessing (1729 – 1781)

Sein Glück für einen Apfel geben,
O Adam, welche Lüsternheit!
Statt deiner hätt ich sollen leben,
So wär das Paradies noch heut. –

Wenn aber nun des Weines Traube
Die Probefrucht gewesen wär?
Wie da, mein Freund? – Ähem, ich glaube –
Dann wärs wahrscheinlich auch nicht mehr.

 

 
Lob der Faulheit (1:37)
Gotthold Ephraim Lessing (1729 – 1781)

Faulheit, jetzo will ich dir
Auch ein kleines Loblied bringen. –
O – wie– sau – er – wird es mir, –
Dich – nach Würden – zu besingen!
Doch, ich will mein Bestes tun,
Nach der Arbeit ist gut ruhn.

Höchstes Gut! wer dich nur hat,
Dessen ungestörtes Leben –
Ach! – ich – gähn – ich – werde matt –
Nun – so – magst du – mirs vergeben,
Dass ich dich nicht singen kann –
Du verhinderst mich ja dran.

 

 
Eine Gesundheit (2:51)
Gotthold Ephraim Lessing (1729 – 1781)

Trinket Brüder, lasst uns trinken,
Bis wir berauscht zu Boden sinken –
Doch bittet Gott den Herrn,
Dass Könige nicht trinken.
Denn da sie völlig unberauscht
Uns schon die halbe Welt zerstören,
Was würden sie nicht alles tun,
Wenn sie betrunken wären?

 

 
Der über uns (3:26)
Gotthold Ephraim Lessing (1729 – 1781)

Hans Steffen konnte kaum
Vor Naschsucht noch die Dämmerung erwarten
Und schlich in eines Edelmannes Garten
Und plünderte den besten Apfelbaum.

Johann und Hanne konnten kaum
Vor Liebesglut die Dämmerung erwarten
Und schlichen sich in eben diesen Garten
Von ungefähr an eben diesen Apfelbaum.

Hans Steffen, der im Baume oben saß
Und fleißig pflückt und aß,
Ward mäuschenstill, aus Angst, dass man ihn finge,
Und seine Näscherei ihm diesmal schlecht gelinge.
Doch bald vernahm er unten Dinge,
Worüber er der Furcht vergaß
Und immer sachte weiter aß.

Johann warf Hannen in das Gras.
»O pfui!« rief Hanne »welcher Spaß!
Nicht doch, Johann! – Ei was? –
O, schäme dich! – Ein andermal – o lass –
O, schäme dich! – Hier ist es nass.« –
»Nass oder nicht. Was schadet das?
Es ist ja reines Gras.« –

Wie dies Gespräche weiter lief,
Das weiß ich nicht. Wer brauchts zu wissen?
Sie standen wieder auf und Hanne seufzte tief:
»So, schöner Herr! Heißt das bloß küssen?
Das Männerherz! Kein einzger hat Gewissen!
Und wenn mir nun ein Unglück widerfährt –
Ein Kind – hm – wer ernährt
Mir dann das Kind?
Kannst du es mir ernähren?«
»Ich? – Die Zeit mags lehren.
Doch wirds auch nicht von mir ernährt,
Der über uns wirds schon ernähren,
Dem über uns vertrau!«

Dem über uns! Dies hörte Steffen.
Was, dacht er, will das Pack mich äffen?
Der über ihnen? Ei, wie schlau!
»Nein!« schrie er,
»Lasst euch andre Hoffnung laben!
Der über euch ist nicht so toll!
Wenn ich nen Bankert nähren soll,
So will ich ihn auch selbst gedrechselt haben!«

Wer hier erschrak und aus dem Garten rann,
Das waren Hanne und Johann.
Doch gaben bei dem Edelmann
Sie auch den Apfeldieb wohl an?
Ich glaube nicht, dass sies getan.

 

 
An eine würdige Privatperson (9:38)
Gotthold Ephraim Lessing (1729 – 1781)

Gibt einst der Leichenstein, von dem, was ich gewesen,
Dem Leser, der mich schätzt, soviel er braucht, zu lesen,
So sei die Summe dies: »Der Lessing lebte schlecht und recht,
Ohn Amt und Gnadengeld und niemands Herr noch Knecht.«