Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

25 
 März 
 
2020

abgelegt in
Poe, Edgar Allan
Schlagwörter

0

 

DICHTUNG Edgar Allan Poe
LESUNG Kai Wiesinger


 

Oh, wär mein junges Leben doch ein Traum. Und würd auch mein Geist nicht wach bis das der Strahl der Ewigkeit den Morgen brächte. Obwohl der Traum von schlimmen Kummer war, er war doch besser als die Wirklichkeit des wachen Lebens für den, dessen Herz gleich von Geburt an auf der Erde sein muss – Ein Chaos aus der tiefsten Leidenschaft.

Doch sollte es so sein, der Traum geht ewig; wie Träume in der Kindheit zu mir waren; sollte es so sein, es wäre Narrheit noch auf eine höhere Macht zu hoffen. Denn als die Sonne hell im Sommer schien, hab ich von Licht und Lieblichkeit geträumt. Doch hab ich mein Herz verloren in einem Land der Phantasie, getrennt von meinem Heim, und die Bewohner waren Geschöpfe meiner eigenen Gedanken.

Es war einmal – an diese wilde Stunde werde ich mich stets erinnern – eine Kraft. Ein Zauber hatte mich gebunden. Wind kam kalt des Nachts und ließ; sein eigenes Bild auf meinem Geist zurück. Der Mond hat kühl auf meinen Schlaf hinab geschienen, oder waren’s Sterne? Was auch immer, der Traum war wie der Nachtwind – lass ihn gehen.

Ich war einst glücklich, wenn auch nur im Traum, doch ich war glücklich. Und ich liebe Träume. Die lebensfüllende Lebendigkeit wie in dem nebligen Widerstreit von Wahn und Wachen, die dem Träumerauge unendlich schöne Dinge bringt, von Paradies und Liebe – alles gehört uns, weit mehr als Hoffnung je versprechen konnte.

 
 
8 
 Mai 
 
2019


 


Säule 1

Des Herzens Feuerschale
Verwirrung aus Verwechslung



Aus den Briefen Epiktets [1]fiktiv
an Lucius Flavius Arrianus [2]Zusammenfassung aus: “Handbüchlein der Moral”
Verlage: Ad Fontes, Reclam, Anaconda
Erdensohn, nimm dir zu Herzen, dass der Gestirne beseelte
Lauf höher’m Plane nur folgt, nicht der gewiesenen Bahn [3] der gedachten Bahn
deiner Wünsche. Denn so du des Himmels Gewalt unterjochst zu
deiner Gefolgschaft – weh dir – bist du ein nichtswürd’ger Tor!
Wirst dies auch bleiben, scheidest du nicht das Fremde vom Eignen:
Fremder Waldungen Forst, eig’nen Garten Bezirks!

Statt mit frevelnder Axt am Gehölz deinen Vorrat zu mehren, [4]Stunden im Garten” von Hermann Hesse,
vgl. auch das “Das Gleichnis vom reichen Kornbauer
Lukas 12; 16 ff.

pflege des Geists Paradies, Jovis Garten, und erfreu’
keimender Hoffnung dich doch, in stiller Erwartung! Genügsam
säume der Buchs dein Gefild heiter, befriedeter Schau:

        Prächtig gedeihen des Edelsinns Rosen, duftend ensteigt die
        Wohlrede feinem Geblüm, Sanftmut umschmieget den Dorn…

Nichts wird bestürmen [5] verheeren die blühenden Beete, noch Kummergewölk dir
grauen der Stirn Horizont, reiner das lichttrunk’ne Aug’!
→ zu Mnemosynes Geleit
→ Zenons Wandelhalle
Die stoischen Siegessäulen

Fußnoten[+]

 
 
26 
 Oktober 
 
2017


 

DICHTUNG Johann Peter Hebel
LESUNG Walter Sittler


 

Mit der Freude zieht der Schmerz
Traulich durch die Zeiten.
Schwere Stürme, milde Weste,
Bange Sorgen, frohe Feste
Wandeln sich zur Seiten.

Und wo eine Träne fällt,
Blüht auch eine Rose.
Schon gemischt, noch eh’ wir’s bitten
Ist für Thronen und für Hütten
Schmerz und Lust im Lose.

War’s nicht so im alten Jahr?
Wird’s im neuen enden?
Sonnen wallen auf und nieder,
Wolken gehn und kommen wieder
Und kein Wunsch wird’s wenden.

Gebe denn, der über uns
Wägt mit rechter Waage,
Jedem Sinn für seine Freuden
Jedem Mut für seine Leiden,
In die neuen Tage.

Jedem auf des Lebens Pfad
Einen Freund zur Seite,
Ein zufriedenes Gemüte
Und zu stiller Herzensgüte
Hoffnung ins Geleite!