16 Februar 2018 |
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DICHTUNG | Friedrich Nietzsche | |
LESUNG | Axel Grube | |
BEREITSTELLUNG | MuhammedAli1980 |
Welche Sprache wird ein solcher Geist reden, wenn er mit sich allein redet? Die Sprache des Dithyrambus. Ich bin der Erfinder des Dithyrambus. Man höre, wie Zarathustra vor Sonnenaufgang (II 414 ff.) mit sich redet: ein solches smaragdenes Glück, eine solche göttliche Zärtlichkeit hatte noch keine Zunge vor mir. Auch die tiefste Schwermut eines solchen Dionysos wird noch Dithyrambus; ich nehme, zum Zeichen, das Nachtlied die unsterbliche Klage, durch die Überfülle von Licht und Macht, durch seine Sonnen-Natur, verurteilt zu sein, nicht zu lieben.
Nacht ist es: nun reden lauter alle springenden Brunnen. Und auch meine Seele ist ein springender Brunnen.
Nacht ist es: nun erst erwachen alle Lieder der Liebenden. Und auch meine Seele ist das Lied eines Liebenden.
Ein Ungestilltes, Unstillbares ist in mir, das will laut werden. Eine Begierde nach Liebe ist in mir, die redet selber die Sprache der Liebe.
Licht bin ich: ach daß ich Nacht wäre! Aber dies ist meine Einsamkeit, daß ich von Licht umgürtet bin.
Ach, daß ich dunkel wäre und nächtig! Wie wollte ich an den Brüsten des Lichts saugen!
Und euch selber wollte ich noch segnen, ihr kleinen Funkelsterne und Leuchtwürmer droben! und selig sein ob eurer Lichtgeschenke.
Aber ich lebe in meinem eignen Lichte, ich trinke die Flammen in mich zurück, die aus mir brechen.
Ich kenne das Glück des Nehmenden nicht; und oft träumte mir davon, daß Stehlen noch seliger sein müsse als Nehmen.
Das ist meine Armut, daß meine Hand niemals ausruht vom Schenken; das ist mein Neid, daß ich wartende Augen sehe und die erhellten Nächte der Sehnsucht.
O Unseligkeit aller Schenkenden! O Verfinsterung meiner Sonne! O Begierde nach Begehren! O Heißhunger in der Sättigung!
Sie nehmen von mir: aber rühre ich noch an ihre Seele? Eine Kluft ist zwischen Nehmen und Geben; und die kleinste Kluft ist am letzten zu überbrücken.
Ein Hunger wächst aus meiner Schönheit: wehe tun möchte ich denen, welchen ich leuchte, berauben möchte ich meine Beschenkten also hungere ich nach Bosheit.
Die Hand zurückziehend, wenn sich schon ihr die Hand entgegenstreckt: dem Wasserfall gleich, der noch im Sturze zögert also hungere ich nach Bosheit.
Solche Rache sinnt meine Fülle aus, solche Tücke quillt aus meiner Einsamkeit.
Mein Glück im Schenken erstarb im Schenken, meine Tugend wurde ihrer selber müde an ihrem Überflusse!
Wer immer schenkt, dessen Gefahr ist, daß er die Scham verliere; wer immer austeilt, dessen Hand und Herz hat Schwielen vor lauter Austeilen.
Mein Auge quillt nicht mehr über vor der Scham der Bittenden; meine Hand wurde zu hart für das Zittern gefüllter Hände.
Wohin kam die Träne meinem Auge und der Flaum meinem Herzen? O Einsamkeit aller Schenkenden! O Schweigsamkeit aller Leuchtenden!
Viel Sonnen kreisen im öden Räume: zu allem, was dunkel ist, reden sie mit ihrem Lichte mir schweigen sie.
O dies ist die Feindschaft des Lichts gegen Leuchtendes: erbarmungslos wandelt es seine Bahnen.
Unbillig gegen Leuchtendes im tiefsten Herzen, kalt gegen Sonnen also wandelt jede Sonne.
Einem Sturme gleich wandeln die Sonnen ihre Bahnen. Ihrem unerbittlichen Willen folgen sie, das ist ihre Kälte.
O ihr erst seid es, ihr Dunklen, ihr Nächtigen, die ihr Wärme schafft aus Leuchtendem! O ihr erst trinkt euch Milch und Labsal aus des Lichtes Eutern!
Ach, Eis ist um mich, meine Hand verbrennt sich an Eisigem! Ach, Durst ist in mir, der schmachtet nach eurem Durste.
Nacht ist es: ach, daß ich Licht sein muß! Und Durst nach Nächtigem! Und Einsamkeit!
Nacht ist es: nun bricht wie ein Born aus mir mein Verlangen nach Rede verlangt mich.
Nacht ist es: nun reden lauter alle springenden Brunnen. Und auch meine Seele ist ein springender Brunnen.
Nacht ist es: nun erwachen alle Lieder der Liebenden. Und auch meine Seele ist das Lied eines Liebenden.
26 Oktober 2017 |
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DICHTUNG | Johann Peter Hebel | |
LESUNG | Walter Sittler |
Mit der Freude zieht der Schmerz
Traulich durch die Zeiten.
Schwere Stürme, milde Weste,
Bange Sorgen, frohe Feste
Wandeln sich zur Seiten.
Und wo eine Träne fällt,
Blüht auch eine Rose.
Schon gemischt, noch eh’ wir’s bitten
Ist für Thronen und für Hütten
Schmerz und Lust im Lose.
War’s nicht so im alten Jahr?
Wird’s im neuen enden?
Sonnen wallen auf und nieder,
Wolken gehn und kommen wieder
Und kein Wunsch wird’s wenden.
Gebe denn, der über uns
Wägt mit rechter Waage,
Jedem Sinn für seine Freuden
Jedem Mut für seine Leiden,
In die neuen Tage.
Jedem auf des Lebens Pfad
Einen Freund zur Seite,
Ein zufriedenes Gemüte
Und zu stiller Herzensgüte
Hoffnung ins Geleite!
1 August 2017 |
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Herrschaft der Willkür
Was soll der Götter laun’sches Narrenspiel,
das unentwegt mit heißem Lustgefühl
begehrt, dem siechend’ Erdensohn zu drängen?
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Kühlt sich des Zeuses Brust, die ruhmerglühte,
mit Tränenflut menschlicher Trauergesängen?
Füllst du, Poseidon, denn die Weltenmeere, trübsalserpicht,
Menschenzähr’ um Menschenzähre?
Raubst, Helios, du das Lächeln deiner Siegesstrahlen
denn vom erlosch’nen Augenlicht gefall’ner Helden
in rauer Heeresschlacht, um fremdbeprunkt zu prahlen?
Trittst, Chloris, du Kunstbemühte,
nun hinzu, um reinlich dann der Rosen Gewand
im Pril verfloss’nen Streiterbluts zu tränken?
***
Oh soll doch an des Aulis‘ Strande Abendhimmel
sich Helios Götteraug’ ins schwarze Weltmeer senken
und Nyx mit finst’rem Blick allmählich nachten!
Dem Glückverschmähten tränbegoss’nes Trachten
scheuet nicht der eise Würgegriff,
des Ares’ glatter Lanzenstich
lüstern in die matte Brust gerammt,
ja, löscht nichts, was eh’ schon ward verflammt.
***
Wähne dich glücklich, oh eitles Herrschergeschlecht, denn erhaben
thronest du! Siegesgewiß waltet dein Zepter der Macht,
teilst mit der Themis entheiligtem Schwert der Gemeinen
Länderbesitz und beglückst Fürstenverwalter damit,
zwingst des Freien geschändetes Haupt unters Joch des verhängten
Frones und nährest dich wohl von der Gepeinigten Müh’.
→ Eherne Welt
Fußnoten