Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

31 
 Mai 
 
2016


 

Weder der Götter Rachegesuch noch der Titanen Unmut ist zuweilen schmerzlicher als der Menschen Missverständnisse.

Die bevorzugte Spielwiese – oder soll ich sagen: Abenteuerspielplatz? – jener Missdeutungen ist mit zunehmender Etablierung das Internet: eine Gedankenbörse waghalsiger spekulativer Annahmen schlechthin.
Möge der digitalen Kommunikation quantitativ eine größere Informationsbandbreite eigen sein, hinsichtlich qualitativ eindeutiger und damit authentisch verwertbarer Signale ist sie der analogen weit unterlegen.

Der nüchterne AUSDRUCK “Flachbildschirm” ist durchaus symptomatisch für die mangelnde emotionale Tiefenwirkung.

Der blanke Letter auf totem Schirm
belebet jeglich Illusion,
nährt Blütenträume gleichwie Schauerbilder.

Nur der holden Stimme untrügliches Licht
im Bündel trauter Gebärden
stiftet wissendes Heil.

Das menschliche Antlitz im Mimikspiel, die sprechbegleitenden sanft bewegungsfreudigen Gebärden, der linde Hauch subtiler Satzmelodie, all jenes scheint im Internetgewoge von einem (Mehr-/Meer-)Rauschen überlagert und kann nicht ver-mitteln, kann nicht Medium wahrer Absichten sein.
Die wilde, zuweilen aufpeitschende Gischt an der breiten Oberfläche kann den “goldenen Becher” tiefgründiger BewegGRÜNDE (siehe auch: “Der Taucher” (Youtube-Link) von Friedrich Schiller) nicht ans Tageslicht der Wahrheit fördern.

Trotz allem sollte dem Internet ein Herrschaftsbereich eingeräumt werden: das Reich der blanken Zahlen (Terminvereinbarungen, Überweisungen, historische Daten, … ).
Für In-halte (Meinungspositionen, (Lebens-)Konzepte) indessen ist das Internet un-tragbar.
Inhalte sollten in einem persönlichen Gespräch ausgetauscht werden.

 
 
29 
 Mai 
 
2016

Schlagwörter

0

 

Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

 

Trotz alledem! (0:00)
Ferdinand Freiligrath (1810 – 1876)
Das war ne heiße Märzenzeit,
Trotz Regen, Schnee und alledem!
Nun aber, da es Blüten schneit,
Nun ist es kalt, trotz alledem!
Trotz alledem und alledem –
Trotz Wien, Berlin und alledem –
Ein schnöder, scharfer Winterwind
Durchfröstelt uns trotz alledem!

Das ist der Wind der Reaktion
Mit Mehltau, Reif und alledem!
Das ist die Bourgeoisie vorm Thron –
Der wieder steht, trotz alledem!
Trotz alledem und alledem,
Trotz Blutschuld, Trug und alledem –
Er steht noch und er hudelt uns
Wie früher fast, trotz alledem!

Denn ob der Reichstag sich blamiert
Wie immer schon und alledem!
Und ob der Teufel uns regiert
Mit Huf und Horn und alledem –
Trotz alledem und alledem,
Trotz Dummheit, List und alledem,
Wir wissen doch: die Menschlichkeit
Behält den Sieg trotz alledem!

Das Alte nur vertretet ihr!
Seid Kasten nur, trotz alledem!
Wir sind das Volk! Die Menschheit wir,
Sind ewig drum, trotz alledem!
Trotz alledem und alledem:
So kommt denn her, trotz alledem!
Ihr hemmt uns, doch ihr zwingt uns nicht!
Unser die Welt, trotz alledem!

Prinz Eugen (4:14)
Ferdinand Freiligrath (1810 – 1876)
Zelte, Posten, Werda-Rufer!
Lustge Nacht am Donauufer!
Pferde stehn im Kreis umher,
Angebunden an den Pflöcken.
An den engen Sattelböcken
Hängen Karabiner schwer.

Um das Feuer auf der Erde,
Vor den Hufen seiner Pferde
Liegt das österreichische Pikett.
Auf dem Mantel liegt ein jeder.
Von den Tschakos weht die Feder.
Leutnant würfelt und Kornett.

Neben seinem müden Schecken
Ruht auf einer wollnen Decken
Der Trompeter ganz allein:
»Lasst die Würfel, lasst die Karten!
Kaiserliche Feldstandarten
Wird ein Reiterlied erfreun!

Vor acht Tagen die Affäre
Habe ich, zu Nutz dem Heere,
In gehörgen Reim gebracht.
Selber auch gesetzt die Noten.
Drum, ihr Weißen und ihr Roten!
Merket auf und gebet acht!«
Und er singt die neue Weise
Einmal, zweimal, dreimal leise
Allen Reitersleuten vor.
Und wie er zuletzt geendet
Bricht als wie zum Feind gesendet
Los der volle kräftge Chor:
»Prinz Eugen, der edle Ritter!«
Hei, das klang wie Ungewitter
Weit ins Türkenlager hin.
Der Trompeter tät den Schnurrbart streichen
Und sich auf die Seite schleichen
Zu der Marketenderin.

 
 
28 
 Mai 
 
2016

abgelegt in
Jan und Henry