Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

3 
 November 
 
2016

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senca_glueck_schmerz_seelenruhe
Lucius Annaeus Seneca

  • Glücklich ist dasjenige Leben, das mit seiner Natur in vollem Einklang steht!
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  • Lass’ keine Stunde ungenutzt vorübergehen, nimm den heutigen Tag voll in Beschlag, dann wirst du weniger von den folgenden abhängig sein!
    Alle Stunden umfasse mit beiden Armen! So wirst du weniger vom Morgen abhängen, wenn auf das Heute du die Hand legst. [1]Moralische Briefe an Lucilius
    Epistulae morales ad Lucilium
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  • Nichts ist unser wahres Eigentum als die Zeit. Dieses flüchtige und schwer fassbare Gut ist das einzige, dessen Besitz die Natur uns vergönnt hat und doch verdrängt uns der erste Beste daraus.
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  • Unstetiges Hin- und Herflattern ist Anzeichen eines krankhaften Gemütszustandes.
    Erstes Anfordernis an eine Geistesverfassung, die als eine wohlgeordnete gelten soll, ist die Fähigkeit, den Schritt zu hemmen und Einkehr in sich selbst zu halten.
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  • Der Geist wächst von innen heraus, nährt und übt sich selbst.
    Was dich tugendhaft machen kann, ist in dir.
    Die einzige Erfordnis, um tugendhaft zu sein, ist ein fester Wille.
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  • Soweit wie möglich suche aber deinen Schutz bei der Philosophie. Sie wird dich in ihrem Schoße bergen, in ihrem Heiligtume wirst du sicher oder doch sicherer sein.
    Mit der Philosophie darst du dich aber nicht brüsten, sie soll dir dazu verhelfen, deine eigenen Fehler loszuwerden, nicht anderen die ihrigen vorzurücken.
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  • Man kann weise sein, ohne Gepränge und ohne Unwillen zu erregen.
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  • Deine Sinnesweise musst du ändern, nicht den Himmelsstrich.
    Magst du das weite Meer durchkreuzen, mögen dir Länder und Städte entschwinden, deine Fehler werden dir überall hinfolgen. [2]Vergil
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  • Es ist verzeihlich, wenn wir Tränen vergießen, sofern wir sie nicht maßlos strömen lassen, sondern ihnen wehren.
    Weder trocken sollen die Augen bleiben beim Verlust eines Freundes noch überströmen.
    Weinen sollen wir, nicht jammern!
    Tränen sollen als Beweis der Sehnsucht dienen! Wir geben uns nicht dem Schmerze hin, sondern zeigen ihn.
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  • Lege des Schicksals Gunst nicht zu dessen Ungunsten aus!
    Es hat dir genommen, aber auch gegeben.
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  • Geselligkeit und Einsamkeit: Man muss beides miteinander verbinden und abwechseln lassen. Die erstere weckt die Sehnsucht nach Menschen, die letztere die Sehnsucht nach uns selbst. Und beide werden einander hilfreich ergänzen: Den Hass gegen das Menschengetümmel wird die Einsamkeit heilen, den Überdruss an der Einsamkeit das Menschengetümmel.
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  • Es ist weit vernünftiger, dich an weniger Schriftsteller zu halten, als irrend umherzuschweifen von einem zum anderen.
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  • Der Begierde ist nichts genug, der Natur genügt auch schon das Geringste.
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  • Es zeugt von Hochherzigkeit, wenn man Beleidigungen verachtet. Die kränkendste Art von Rache, die einen treffen kann, ist es, gar für wert gehalten zu werden, um ein Opfer der Rache zu werden.
    Bei vielen haben sich leichte Beleidigungen gerade dadurch tiefer in ihre Seele eingegraben, dass sie sich rächten.
    Der ist eine große und edle Erscheinung, der es macht wie ein gewaltiges Tier, der das
    Gebell kleiner Hunde anhört ohne sich darum zu bekümmern.
    Man wird sich weniger verachtet sehen, wenn man sich für eine Beleidigung rächt.
    Wenn wir zur Rache greifen wie zu einem Heilmittel, so soll es ohne Zorn geschehen.
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  • Es ist besser von einer Sache nichts wissen zu wollen als sich zu rächen. Beleidigungen von Seiten der Machthaber muss man mit heiterer Miene ertragen, nicht bloß mit Geduld. Sie werden es wieder so machen, wenn sie sehen, dass sie ihren Zweck erreicht haben.
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  • Es ist weit besser, überhaupt sich nichts merken zu lassen, als die Beleidigung zu rächen.
    Dem Zorn muss man entsagen, gleichviel ob der Gegner uns gewachsen ist oder mächtiger oder schwächer.
    Mit einem der uns gleich ist sich zu messen, ist eine bedenkliche Sache.
    Mit einem Überlegenen eine Tollwut.
    Mit einem Schwächeren eine Erniedrigung.
    Es verrät eine kleinliche und elende Sinnesart, den, der einen beißt, wieder zu beißen.
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  • Es sind reine Lappalien, wegen derer wir uns so ernsthaft erbosen.
    Dinge wie die, um welche sich Knaben zanken und streiten.
    Nicht von dem, was wir mit so tiefer Ergriffenheit betreiben, ist wirklich ernst und groß.
    Man achtet so oft das Kleine für groß.
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  • Wäge des abends deine Handlungen und Äußerungen ab.
    Nichts soll dir verborgen bleiben, nichts übergangen werden.
    Warum sollte man sich vor seinen Verfehlungen fürchten?
    Da man sagen kann: “Gib acht, dass du das nicht wieder tust! Für dieses Mal sei es dir verziehen! Bei jenem Wortkampf hast du dich von der Streitsucht weit fort treiben lassen. Lass dich nicht wieder in ein Gespräch mit Unkundigen ein. Diejenigen sind unbeholfen, die nie haben Schüler sein wollen.
    Jene hast du mit deiner Mahnung zu scharf angefasst, daher hast du ihn nicht gebessert, sondern beleidigt.
    Künftig sieh nicht nur darauf, ob es wahr ist, was du sagst, sondern ob der, dem es gesagt wird, die Wahrheit auch verträgt.”
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  • Wozu Streit und Nachstellungen?
    Kannst du dem, welchem du zürnst, mehr anwünschen als den Tod?
    Er wird auch ohne dein Zutun sterben.
    Es ist verlorene Arbeit, sich um das zu bemühen, was doch von selbst eintreten wird.
    Du erwiderst: “Ich habe es nicht gerade auf den Tod abgesehen, sondern auf Verbannung, Schmach, Schaden, die sollen ihn treffen.”
    Es ist verzeihlicher, seinem Feinde eine Wunde zu wünschen als eine Pustel, denn dies zeugt nicht nur von boshafter, sondern auch von kleinlicher Gesinnung.
    Magst du es nun auf die härtesten oder geringeren Strafen abgelegt haben, wie rasch verfliegt die kurze Spanne Zeit, während der jenem die Qual der Strafe auferlegt und dir die boshafte Freude daran gegönnt ist. Wie bald werden wir den letzten Atemzug tun?
    Solange wir aber noch atmen, solange wir noch unter Menschen sind, wollen wir auch Menschlichkeit üben.
    Niemandem soll Furcht vor uns, niemandem Gefahr von uns drohen.
    Beeinträchtigungen, Beleidigungen, Schmähungen, Sticheleien wollen wollen wir verachten und frohen Mutes die kurzen Widerwärtigkeiten ertragen.
    Im Handumdrehen werden wir der Sterblichkeit unseren Tribut bezahlen.
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Fußnoten[+]

 
 
2 
 November 
 
2016

abgelegt in
Hagen Rether | Kabarett

 

Werte kann man nicht verteidigen, sie müssen gelebt werden, damit sie manifest werden. Dann bekommen sie Strahlungskraft und stecken zur Nachahmung an.

Worte müssen konsequent gelebt werden, quasi “handelnd gesprochen” werden, sonst bleiben sie Worthülse nur und unglaubhaft ohne Anreiz der Aneignung.

Und ja, der Antiheld “Columbo” ist auch mein privater Held: Stets von der Umwelt falsch einsortiert, exotischer Alleingänger und Pertubierer.

 
 
1 
 November 
 
2016


 

In seiner Fülle ruhet der Herbsttag nun,
Geläutert ist die Traub und der Hain ist roth
Vom Obst, wenn schon der holden Blüthen
Manche der Erde zum Danke fielen.

Und rings im Felde, wo ich den Pfad hinaus
Den stillen wandle, ist den Zufriedenen
Ihr Gut gereift und viel der frohen
Mühe gewähret der Reichtum ihnen.

Vom Himmel bliket zu den Geschäfftigen
Durch ihre Bäume milde das Licht herab,
Die Freude theilend, denn es wuchs durch
Hände der Menschen allein die Frucht nicht.

Und leuchtest du, o Goldnes, auch mir, und wehst
Auch du mir wieder, Lüftchen, als seegnetest
Du eine Freude mir, wie einst, und
Irrst, wie um Glükliche, mir am Busen?

Einst war ichs, doch wie Rosen, vergänglich war
Das fromme Leben, ach! und es mahnen noch,
Die blühend mir geblieben sind, die
Holden Gestirne zu oft mich dessen.

Beglükt, wer, ruhig liebend ein frommes Weib,
Am eignen Heerd in rühmlicher Heimath lebt,
Es leuchtet über vestem Boden
Schöner dem sicheren Mann sein Himmel.

Denn, wie die Pflanze, wurzelt auf eignem Grund
Sie nicht, verglüht die Seele des Sterblichen,
Der mit dem Tageslichte nur, ein
Armer, auf heiliger Erde wandelt.

Zu mächtig ach! ihr himmlischen Höhen zieht
Ihr mich empor, bei Stürmen, am heitern Tag
Fühl ich verzehrend euch im Busen
Wechseln, ihr wandelnden Götterkräfte.

Doch heute laß mich stille den trauten Pfad
Zum Haine gehn, dem golden die Wipfel schmükt
Sein sterbend Laub, und kränzt auch mir die
Stirne, ihr holden Erinnerungen!

Und daß mir auch zu retten mein sterblich Herz,
Wie andern eine bleibende Stätte sei,
Und heimathlos die Seele mir nicht
Über das Leben hinweg sich sehne,

Sei du, Gesang, mein freundlich Asyl! sei du
Beglükender! mit sorgender Liebe mir
Gepflegt, der Garten, wo ich, wandelnd
Unter den Blüthen, den immerjungen,

In sichrer Einfalt wohne, wenn draußen mir
Mit ihren Wellen allen die mächtge Zeit
Die Wandelbare fern rauscht und die
Stillere Sonne mein Wirken fördert.

Ihr seegnet gütig über den Sterblichen
Ihr Himmelskräfte! jedem sein Eigentum,
O seegnet meines auch und daß zu
Frühe die Parze den Traum nicht ende.

 

Textdichter Friedrich Hölderlin
Lesung Christian Brückner