Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

11 
 April 
 
2012


 

Der Abend küsste geheimnisvoll
Die knospenden Oleander.
Wir spielten und bauten Tempel Apoll
Und taumelten sehnsuchtsübervoll
Ineinander.

Und der Nachthimmel goss seinen schwarzen Duft
In die schwellenden Wellen der brütenden Luft,
Und Jahrhunderte sanken
Und reckten sich
Und reihten sich wieder golden empor
Zu sternenverschmiedeten Ranken.

Wir spielten mit dem glücklichsten Glück,
Mit den Früchten des Paradiesmai,
Und im wilden Gold Deines wirren Haars
Sang meine tiefe Sehnsucht
Geschrei,
Wie ein schwarzer Urwaldvogel.

Und junge Himmel fielen herab,
Unersehnbare, wildsüsse Düfte;
Wir rissen uns die Hüllen ab
Und schrieen!
Berauscht vom Most der Lüfte.

Ich knüpfte mich an Dein Leben an,
Bis dass es ganz in ihm zerrann,
Und immer wieder Gestalt nahm
Und immer wieder zerrann.
Und unsere Liebe jauchzte Gesang,
Zwei wilde Symphonieen!

 
 
11 
 April 
 


 

Was doch heut Nacht ein Sturm gewesen,
bis erst der Morgen sich geregt!
Wie hat der ungebetne Besen
Kamin und Gassen ausgefegt!

Da kommt ein Mädchen schon die Straßen,
das halb verschüchtert um sich sieht;
wie Rosen, die der Wind zerblasen,
so unstet ihr Gesichtchen glüht.

Ein schöner Bursch tritt ihr entgegen,
er will ihr voll Entzücken nahn:
wie sehn sich freudig und verlegen
die ungewohnten Schelme an!

Er scheint zu fragen, ob das Liebchen
die Zöpfe schon zurecht gemacht,
die heute Nacht im offnen Stübchen
ein Sturm in Unordnung gebracht.

Der Bursche träumt noch von den Küßen,
die ihm das süße Kind getauscht,
er steht, von Anmut hingerissen,
derweil sie um die Ecke rauscht.

 

Textdichter Eduard Mörike
Lesung Oskar Werner
Bereitstellung wortlover

 
 
7 
 April 
 
2012


 

Ach,
wird mir denn je wieder
durch die Nacht ihr
wundervoller Leib leuchten,
strahlender noch als Schnee?
Der täuschte meine Augen:
Ich glaubte, es wäre der Glanz
des hellen Mondes –
Da brach der Tag an.

“Ach,
wird er je wieder den
Morgen über hier bleiben?
Möge uns doch die Nacht einmal
so vergehen, dass wir nicht zu klagen
brauchen: „O weh, jetzt ist es Tag”.
So rief er klagend,
als er zuletzt bei mir war.-
Da brach der Tag an.”

Ach,
unzählige Male küsste sie
mich im Schlafe
Da rannen ihre
Tränen nieder.
Ich aber tröstete sie,
so dass sie aufhörte zu weinen
und mich ganz umfing –
da brach der Tag an.

“Ach,
dass er sich so oft
in meinem Anblick verloren hat!
Als er die Decke zurückschlug,
da wollte er meine nackten
Arme sehn, ganz nackt.
Es war unerklärlich, dass er
sich daran nicht satt sehen konnte -.
da brach der Tag an.”

 

Textdichter Heinrich von Morungen
Lesung Katharina Thalbach und Hans Kremer
Bereitstellung wortlover