Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

1 
 Oktober 
 
2011


 

Hör ich das Pförtchen nicht gehen?
Hat nicht der Riegel geklirrt?
Nein, es war des Windes Wehen,
Der durch diese Pappeln schwirrt.

O schmücke dich, du grün belaubtes Dach,
Du sollst die Anmutstrahlende empfangen,
Ihr Zweige, baut ein schattendes Gemach,
Mit holder Nacht sie heimlich zu umfangen,
Und all ihr Schmeichellüfte, werdet wach
Und scherzt und spielt um ihre Rosenwangen,
Wenn seine schöne Bürde, leicht bewegt,
Der zarte Fuß zum Sitz der Liebe trägt.

Stille, was schlüpft durch die Hecken
Raschelnd mit eilendem Lauf?
Nein, es scheuchte nur der Schrecken
Aus dem Busch den Vogel auf.

O! lösche deine Fackel, Tag! Hervor,
Du geistge Nacht, mit deinem holden Schweigen,
Breit um uns her den purpurroten Flor,
Umspinn uns mit geheimnisvollen Zweigen,
Der Liebe Wonne flieht des Lauschers Ohr,
Sie flieht des Strahles unbescheidnen Zeugen!
Nur Hesper, der verschwiegene, allein
Darf still herblickend ihr Vertrauter sein.

Rief es von ferne nicht leise,
Flüsternden Stimmen gleich?
Nein, der Schwan ists, der die Kreise
Ziehet durch den Silberteich.

Mein Ohr umtönt ein Harmonienfluß,
Der Springquell fällt mit angenehmem Rauschen,
Die Blume neigt sich bei des Westes Kuß,
Und alle Wesen seh ich Wonne tauschen,
Die Traube winkt, die Pfirsche zum Genuß,
Die üppig schwellend hinter Blättern lauschen,
Die Luft, getaucht in der Gewürze Flut,
Trinkt von der heißen Wange mir die Glut.

Hör ich nicht Tritte erschallen?
Rauschts nicht den Laubgang daher?
Nein, die Frucht ist dort gefallen,
Von der eignen Fülle schwer.

Des Tages Flammenauge selber bricht
In süßem Tod und seine Farben blassen,
Kühn öffnen sich im holden Dämmerlicht
Die Kelche schon, die seine Gluten hassen,
Still hebt der Mond sein strahlend Angesicht,
Die Welt zerschmilzt in ruhig große Massen,
Der Gürtel ist von jedem Reiz gelöst,
Und alles Schöne zeigt sich mir entblößt.

Seh ich nichts Weißes dort schimmern?
Glänzts nicht wie seidnes Gewand?
Nein, es ist der Säule Flimmern
An der dunkeln Taxuswand.

O! sehnend Herz, ergötze dich nicht mehr,
Mit süßen Bildern wesenlos zu spielen,
Der Arm, der sie umfassen will, ist leer,
Kein Schattenglück kann diesen Busen kühlen;
O! führe mir die Lebende daher,
Laß ihre Hand, die zärtliche, mich fühlen,
Den Schatten nur von ihres Mantels Saum,
Und in das Leben tritt der hohle Traum.

Und leis, wie aus himmlischen Höhen
Die Stunde des Glückes erscheint,
So war sie genaht, ungesehen,
Und weckte mit Küssen den Freund.

 

Sprecher Siegmar Schneider   |   Bereitstellung Wortlover

 
 
30 
 Juli 
 
2011


 

O heilig Herz der Völker, o Vaterland!
Allduldend, gleich der schweigenden Mutter Erd,
Und allverkannt, wenn schon aus deiner
Tiefe die Fremden ihr Bestes haben!

Sie ernten den Gedanken, den Geist von dir,
Sie pflücken gern die Traube, doch höhnen sie
Dich, ungestalte Rebe! daß du
Schwankend den Boden und wild umirrest.

Du Land des hohen ernsteren Genius!
Du Land der Liebe! bin ich der deine schon,
Oft zürnt ich weinend, daß du immer
Blöde die eigene Seele leugnest.

Doch magst du manches Schöne nicht bergen mir,
Oft stand ich überschauend das holde Grün,
Den weiten Garten hoch in deinen
Lüften auf hellem Gebirg und sah dich.

An deinen Strömen ging ich und dachte dich,
Indes die Töne schüchtern die Nachtigall
Auf schwanker Weide sang, und still auf
Dämmerndem Grunde die Welle weilte.

Und an den Ufern sah ich die Städte blühn,
Die Edlen, wo der Fleiß in der Werkstatt schweigt,
Die Wissenschaft, wo deine Sonne
Milde dem Künstler zum Ernste leuchtet.

Kennst du Minervas Kinder? sie wählten sich
Den Ölbaum früh zum Lieblinge; kennst du sie?
Noch lebt, noch waltet der Athener
Seele, die sinnende, still bei Menschen,

Wenn Platons frommer Garten auch schon nicht mehr
Am alten Strome grünt und der dürftge Mann
Die Heldenasche pflügt, und scheu der
Vogel der Nacht auf der Säule trauert.

O heilger Wald! o Attika! traf Er doch
Mit seinem furchtbarn Strahle dich auch, so bald,
Und eilten sie, die dich belebt, die
Flammen entbunden zum Aether über?

Doch, wie der Frühling, wandelt der Genius
Von Land zu Land. Und wir? ist denn Einer auch
Von unsern Jünglingen, der nicht ein
Ahnden, ein Rätsel der Brust, verschwiege?

Den deutschen Frauen danket! sie haben uns
Der Götterbilder freundlichen Geist bewahrt,
Und täglich sühnt der holde klare
Friede das böse Gewirre wieder.

Wo sind jetzt Dichter, denen der Gott es gab,
Wie unsern Alten, freudig und fromm zu sein,
Wo Weise, wie die unsre sind? die
Kalten und Kühnen, die Unbestechbarn!

Nun! sei gegrüßt in deinem Adel, mein Vaterland,
Mit neuem Namen, reifeste Frucht der Zeit!
Du letzte und du erste aller
Musen, Urania, sei gegrüßt mir!

Noch säumst und schweigst du, sinnest ein freudig Werk,
Das von dir zeuge, sinnest ein neu Gebild,
Das einzig, wie du selber, das aus
Liebe geboren und gut, wie du, sei –

Wo ist dein Delos, wo dein Olympia,
Daß wir uns alle finden am höchsten Fest? –
Doch wie errät der Sohn, was du den
Deinen, Unsterbliche, längst bereitest?

 

Sprecher Jürgen Holtz   |   Bereitstellung Wortlover

 
 
18 
 Juli 
 
2005


 

Dir R.,

wahrer Wortlaut tut not, wenn in Zeiten waltender Gedankenflaute nur matt des Geistes Flügel schwingt, die sonst befleißte Schreiberhand schwer die Feder führt und ringend im Ausdruck sich reget.
Wenn selbst der Seele Freudeschall verstummt und Eiseskälte mir in bangem Busen wintert.
Sie wollen nicht tauen, die eisen Herzensquellen.

Treulos entflohn mir die Musengeister.
Alles um mich herum birgt nur der Schleier der Gleichgültigkeit, getaucht in fahles Einheitsgrau und jedes meiner kärglichen Träufelworte stirbt selbst auf der Lippe noch.
Ich kann – und darf der duften Redekunst entmachtet – NICHT schreiben, denn alles wär’ nur Blätterlaub vom abgedroschenen Blumenhain erlauchter Rosenworte, wär’ welker Worttand einst blühender Schöne.

Weder eines Herren Wink entbiete mir Geheiß, noch der Frauen lieblicher Zauber schlage mich in Liebesbanden, frei und rein soll sich die zagend Brust sich heben, fern dem wirren Lärmen einer feilen Welt entrückt, einer Welt, die Schauplatz einem schlechten Bühnenstücke gibt.

Allein in des Dichter’s seligem Schwärmen zu triumphieren ist mein höchst Begehr.

***

wahrer Wortlaut tut not, wenn in Zeiten waltender Gedankenflaute nur matt des Geistes Flügel schwingt, die sonst befleißte Schreiberhand schwer die Feder führt und zagend im Ausdrucke sich reget.
Wenn selbst der Seele Freudeschall verstummt, der dumpfen Gefühlskälte mit matter Kehl’ und faustgeballt ich wehren möchte.
Sie wollen nicht tauen, die eisen Herzensquellen, der Seelenfrost nicht verziehn, der mir in bangem Busen wintert.

Treulos entflohn mir die Musengeister, die einst steten Weggefährten … und sie scheinen dahin.

Alles um mich herum birgt nur der Schleier der Gleichgültigkeit getaucht in fahle Blässe und der wie von Blei bemantelte Blick stiert ins Leere.
Die lichtgetränkten vom Leben geschwängerten Frühlingswiesen, sie grünen nicht mir, und das heitre Gewölk am stahlblauen Himmel zieht meiner ungeachtet vorüber, meint auch nicht mich.
Alles erscheint mir oft so fremd, so belanglos, so NICHTIG.
Selbst der Liebschall einer Freundesrede vermag ich oft nicht zu erlauschen und jedes meiner kärglichen Träufelworte erliegt dem raubenden Dunst, stirbt auf der Lippe noch.

***

Drum kann und darf – der duften Redekunst entmachtet – ich NICHT schreiben, denn alles wär’ nur dürres Blütenlaub vom abgedroschenen Blumenhain erlauchter Rosenworte, wär’ welker Worttand einst blühender Schöne.

Oh, könnt’ ich nur sinnestaumeln in des Dichter’s seligem Schwärmen und kraftbefiedert zum reichbestirnten Firmamente streben, um derorts edle Sternenworte zu erhaschen.
Fürwahr, das wär’ mein höchst Begehr !
Denn weder eines Herren Gebot beuget sich mein Haupt, noch der Frauen lieblicher Zauber schlage mich in Liebesbanden, FREI allein soll sich die matte Brust mir heben, dem wirren Lärmen einer feilen Welt entrückt, einer Welt, die sich nur als Schauplatz eines schlechten Bühnenstückes gebärdet.

Auf eben diesen „Brettern der Welt“ ( Weltbühne ) tummelt sich allerlei eitles Menschengevölk :
wortgewandte Phrasendrescher, selbsterwählte Geistesgrößen, vermeintliche Lichtgestalten beredter Gelehrsamkeit, dem schnöden Mammon verfallene Lustwandler, … oh, wie sie mir zuwider sind, diese trampelnden Horden von heuchelnden Pharisäern, die so sehr den irdischen Wonnen zugeneigt und eigenbedacht mit ihren Talenten prunken.

***

Doch siehe, aus diesem Dickicht, aus diesem Gestrüpp selbstgefälliger Menschenfülle, entringt sich eine Blüte reiferer Vernunft, eine schöngeistige Blüte mit zartem Wurzelwerk.
Mildbeflammt vom Sonnenschein der Wahrheit erblühen ihre Farben, die Blätter, vom jugendlichen Geisteswind bewogt, weben reine Gedanken und der füllige Blumenkelch faßt mit Anteilnahme das Leid anderer mit wahrem Priestergeist.

Gewiß, ohn’ Fehl, hier offenbart sich – nebst Schönwuchs – der weibliche Blütenzauber Schimmerglanz, paart Prachtaufwand mit Edelsinne sich.

Nur äußerlicher Prachtaufwand, wahrlich des Himmels liebreizendes Geschenk, verschmäht mein Aug’, das nimmer sich sättigt an der Damenwelt blühender Heide, denn selbst Aphrodites Gestalt speist nur der lüsterne Blick und läßt den Schöngeist im Drang zum wahren Schönen darben.

Denn wahre Schönheit offenbart sich nur im edlern Geiste, im zarten Blütenstaub, der als duftende Entsendung zu seinen geistigen Heimatgründen windet, der Blüte vergänglicher Schöne schlicht entsagt und ihr entflieht.

Ja, ich spreche ihn heilig, der Erde Grund, in dem Blume Samen keimte und früh schon seine feinen Wurzeln schlug, aus kühlem Erdreich in einsten Kindestagen doch empor sich rang zur vollen Reife.

Heil Dir, Flora, für den spendenden Schoß fruchtbarer Erde und Dir Helios sei’s gedankt für die milde Flut lichter Segensgabe, die erst der Knospe Riegel brechen ließ.

Vergangner Krankheit rauer Stürme Heer vermochte die ranke Blume wohl zu beugen, nicht aber zu brechen, gewann dadurch an Kraft- und Geistesfülle.
Edle Gesinnung senkte sich mit goldner Gravur in die kindbewahrten Herzenstafeln und der Seele Jubelklang singt im Weltenlärme sein eignes leises Lied paradiesischen Lautens.

Möge diese liebschallende Melodie, R., Dir nie verstummen, möge der zuweilen leidgehemmte Fuß auf Deinem Lebenspfad treu jener heiligen Spur gewollten Himmelsgeschickes folgen und sich nie beirren lassen.

Mit nunmehr endendem Federschwunge

Ralph