Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

29 
 August 
 
2011


 

Thomas der Zwilling

Jesus sprach:
„Wehe den Pharisäern, denn sie gleichen einem Hund,
der im Futtertrog der Rinder schläft; denn weder frisst er, noch läßt er die Rinder fressen.“

 

Weh’ euch indes, Pharisäer, ihr Führer wohlfeiler Rede!
Wo der Ölbaum des Friedens will grünen, wuchert im Herzen
Zwietracht euch nur! In der Streitsucht selbstgefälligem Tone
wähnt ihr euch Hüter der ehernen Sittengesetze und herrlich,
wie eure prunken Gewänder, durchschimmert der tönende Liebschall
wallender Lippen des Tempels heilige Hallen. Und doch, im
tätigen Wort versagt ihr dem Suchenden Weisung, Licht dem Verirrten!
→ zu Mnemosynes Geleit
Evangelium nach Thomas
 
 
26 
 August 
 
2011

abgelegt in
Gedankenschau

 

Sei es Veganismus, Christentum oder andere Lebenskonzepte: Ich halte nicht viel vom missionarischen Übereifer, vom überschäumenden (blinden) Aktionismus.

Ein Volksweisheit besagt:
Rede nur, wenn man dich fragt, aber lebe so, dass man dich fragt!

Damit ist eigentlich alles gesagt.
Handlungs(an)weisungen (Maximen) jeglicher Art, ethisch oder religiös motiviert, müssen vorgelebt werden.
Ursprünglich geistig formulierte (zuweilen utopische) Verhaltensregeln müssen sich auf dem Prüfstand der fass- und sichtbaren Wirklichkeit bewähren, müssen realisierbar/umsetzbar sein, müssen operationalisiert werden, müssen sich als durchführbar erzeigen.
Ansonsten bleiben sie reine Gedankenexperimente und bleiben -um mit dem Höhlengleichnis von Sokrates zu sprechen- im Reich der (schönen) Ideen: “Deine Worte hör’ ich wohl, doch deine Taten sprechen lauter.”
Es gilt, den (vor-)gelebten Beweis der Machbarkeit zu erbringen.

Ich persönlich habe den traditionsgeprägten Begriff “Mission” individuell neu definiert, was vielleicht nicht ganz konform mit der Bibel geht, in der Jesus den Missionsbefehl erteilt: “Gehet hin in alle Welt und machet zu Jüngern alle Völker […]”. Paulus hat sich dies auf die Fahne geschrieben.

Ich denke aber, dass “Gehen” in alle “Welt“, durchaus auch mit “hineintragen” in alle “Winkel der Herzen” übersetzt werden kann.
Dass es primär darum geht, die Menschen zu erreichen, nicht unmittelbar durch Distanzüberwindung mit Thesen-Verlautung (“Gehet an die Hecken und Zäune und predigt!”), sondern durch eine Art Heranführung an ein Ideal durch praktische, anschauliche Lebensführung:

Rede nur, wenn man dich fragt, aber lebe so, dass man dich fragt!

Der Berg soll zum Propheten kommen und nicht umgekehrt.

 
 
16 
 August 
 
2011


 

DICHTUNG Friedrich Schiller
LESUNG Jürgen Goslar



Drei Worte hört man, bedeutungschwer,
Im Munde der Guten und Besten.
Sie schallen vergeblich, ihr Klang ist leer,
Sie können nicht helfen und trösten.
Verscherzt ist dem Menschen des Lebens Frucht,
So lang er die Schatten zu haschen sucht.

So lang er glaubt an die goldene Zeit,
Wo das Rechte, das Gute wird siegen –
Das Rechte, das Gute führt ewig Streit,
Nie wird der Feind ihm erliegen,
Und erstickst du ihn nicht in den Lüften frei,
Stets wächst ihm die Kraft auf der Erde neu.

So lang er glaubt, daß das buhlende Glück
Sich dem Edeln vereinigen werde –
Dem Schlechten folgt es mit Liebesblick;
Nicht dem Guten gehöret die Erde,
Er ist ein Fremdling, er wandert aus
Und suchet ein unvergänglich Haus.

So lang er glaubt, daß dem ird’schen Verstand
Die Wahrheit je wird erscheinen –
Ihren Schleier hebt keine sterbliche Hand;
Wir können nur rathen und meinen.
Du kerkerst den Geist in ein tönend Wort,
Doch der freie wandelt im Sturme fort.

Drum, edle Seele, entreiß dich dem Wahn
Und den himmlischen Glauben bewahre!
Was kein Ohr vernahm, was die Augen nicht sahn,
Es ist dennoch das Schöne, das Wahre!
Es ist nicht draußen, da sucht es der Thor;
Es ist in dir, du bringst es ewig hervor.