Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

1 
 Januar 
 
2013


 

Petra Schmitz von GameStar:
Der erste Teil einer etwas anderen Let’s-Play-Serie.
Ihr seht Diablo 3 und hört Kurt Tucholskys Essay »Der Mensch«.

Farming IST laut der Aussage von Petra Schmitz mitunter stumpfsinnig, nicht aber die merkmalssemantischen, affixgenerierten Itembezeichnungen 😉
Eine “vielgepriesene Sense des Zeitalters” ist wie viele Namensgebungen anmutvoll vom Daktylus klanglich durchgliedert, gleichfalls: “Trostlose Sande”, “Felder des Elends”.
Runenwörter in D2 hatten mich damals schon betört: “Odem der Sterbenden”, “Ruf zu den Waffen”, “Ketten der Ehre”.

“Ein Buch sollte die (Barbaren-)Axt für das gefrorene Meer in uns sein!” (Franz Kafka)

 
 
7 
 Oktober 
 
2012


 

DICHTUNG Erich Fried
LESUNG Erich Fried
BEREITSTELLUNG wortlover


 

Triptychon (Frankfurt-Neckargemünd-Dilsberg)

1
Deutlich die Bilder
der Erinnerung
und der Sehnsucht

Deine wartende Hand
der Ausdruck deiner Augen
und die Haarlocke
die dein linkes Auge verschattet

Oder Bäume
die Bäume zu beiden Seiten
unserer Mainbrücke
als stünden sie mitten im Wasser
(aber stehen auf einer Insel
auf festem Grund)

2
Und ich mitten
in dieser Ferne von dir
denke in die Ferne
denke an die Nähe
denke an deinen Atem
an mein Leben mitten im Wasser
(auf meiner Insel
die nicht meine
und nicht im Main ist)

Zu viele Linien waren in meiner Hand
zu viele Menschen waren auf dieser Messe
zuviel Gesoll und Gehaben
zuviel Zeit ohne dich

3
Im Neckar gespiegelt
Herbstsonne ohne dich
Glänzende Flecken
wandern von Stunde zu Stunde
flußauf und beleuchten
die Hinterburg
rechts am Hang

Langsam erkaltendes Licht
auf dem Balkon ohne dich
Und im Zimmer die Bücher
in der Küche die Teemaschine
ohne dich
und das rötliche Buntsandsteinpflaster
auf dem ich noch einmal hinauf
zur „Sonne” und wieder
hinuntergehe
in das Haus ohne dich

Nun Nachdenken
nun Ausruhen
ohne dich

Kummer lernen
Er wird nicht der Einzige sein
Herbst lernen
Frösteln lernen
Ins Tal schauen
ohne dich.

 
 
7 
 Oktober 
 


 

Jüngst war seine Mutter zu Besuch.
Doch sie konnte nur zwei Tage bleiben.
Und sie müsse Ansichtskarten schreiben.
Und er las in einem dicken Buch.

Freilich war er nicht sehr aufmerksam.
Er betrachtete die Autobusse
und die goldnen Pavillons am Flusse
und den Dampfer, der vorüberschwamm.

Seine Mutter hielt den Kopf gesenkt.
Und sie schrieb gerade an den Vater:
“Heute abend gehen wir ins Theater
Erich kriegte zwei Billets geschenkt.”

Und er tat, als ob er fleißig las.
Doch er sah die Nähe und die Ferne,
sah den Himmel und zehntausend Sterne
und die alte Frau, die drunter saß.

Einsam saß sie neben ihrem Sohn.
Leise lächelnd. Ohne es zu wissen.
Stadt und Sterne wirkten wie Kulissen.
Und der Wirtshausstuhl war wie ein Thron.

Ihn ergriff das Bild. Er blickte fort.
Wenn sie mir schreibt, mußte er noch denken,
wird sie ihren Kopf genau so senken.
Und dann las er. Und verstand kein Wort.

Seine Mutter saß am Tisch und schrieb.
Ernsthaft rückte sie an ihrer Brille,
und die Feder kratzte in der Stille.
Und er dachte: Gott, hab ich sie lieb!

 

Textdichter Erich Kästner
Gesang Joeczy