Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

13 
 August 
 
2011


 

Orpheus galt im antiken Griechenland als ein vom Gotte Apollon begünstigter Sänger, der das Spiel mit der Lyra (Leier) nicht mit dem Flötenspiel begleiten ließ, wie es zur damaligen Zeit üblich war, sondern dazu eigens seine göttergesalbte Stimme erhob, die selbst das Tierreich betörte und die unbelebte Natur beseelte.

Neben Anwendung des freien Versmaßes stimmte Orpheus die vorgesungenen Texte durch eine wiederkehrende Rhythmik (Metrik) auf das Lyraspiel ab, dass Gesang und Saitenspiel melodisch sich im Einklang fanden.

Zu diesem Zwecke schrieb Orpheus seine vorgetragenen Texte zuweilen im Hexametermaß und galt daher als geistiger Vater desselbigen.

Orpheus, Heros der liebschallenden Künste, beklagt in der Gestalt der Eurydike das entrissene, ins Schattenreich hinabgeführte Ideal des Schönen und der Seelenharmonie irdischer Glückseligkeit.

 
 
4 
 August 
 
2011


 

Prosa frommt nicht unbedingt dem menschlichen Geist, seinem sprachlichen Ausdruck, dem “Flügel ziemen” (Cyrano).

Der goldene Mittelweg zwischen dem duftigen Wald-und-Wiesenpfad der Prosa und dem harten Steinpflaster des metrischen Pilgerwegs ist und bleibt für mich immer noch die leichtfüßige Hexameterdichtung, die sich im Deutschen fast schon von selbst dichtet (unter Einstreuung von 3-silbigen Wörtern, des Partizip Präsens und Perfekts, Inversionen, …).
Und wir wollen in diesem Punkt den zahlreichen Übersetzern von Homers Dichtungen durchaus Glauben schenken.

Hexameterdichtung lässt in der Wortwahl viel Freiheiten, geißelt nicht mit Reimvorgaben und ist andererseits ein Garant(!) für den Sprachfluss.

Daktylen müssen dem europäischen Ohr wohlklingen, wie der Dreivierteltakt des Walzers.
Und wie der Goldene Schnitt die richtigen Proportionen sicherstellt, so verteilt auch der Hexameter audiophil die Silbenmasse.

 
 
10 
 Juli 
 
2011


 

Übersetzt von Johann Gottlob Regis

I.
Vom schönsten Wesen wünschen wir Vermehrung,
Damit der Schönheit Ros’ unsterblich sei,
Und, wenn das Reife stirbt durch Zeitverheerung,
Sein Bild in zarten Erben sich erneu’,

Doch du, in eigner Augen Schein begnügt,
Nährst mit selbstwesentlichem Stoff dein Feuer,
Machst Hungersnot wo Überfülle liegt,
Dir selber Feind, des holden Ichs Bedräuer!

Der jungen Tage frische Zierde du
Und einz’ger Herold bunter Frühlingszeit,
Begräbst in eigner Knospe deine Ruh,
Vergeudest kargend, zarte Selbstigkeit!

Hab Mitleid mit der Welt! Verschling’ aus Gier
Ihr Pflichtteil nicht in deinem Grab und dir.

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