Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

24 
 März 
 
2018

abgelegt in
Gibran, Khalil

 

Weisheit von Khalil Gibran aus: “Der Prophet”


DICHTUNG Khalil Gibran
LESUNG Troubadonna



Eure Kinder sind nicht eure Kinder.
Es sind Söhne und Töchter von des Lebens Verlangen nach sich selber.
Sie kommen durch euch, doch nicht von euch;
Und sind sie auch bei euch, so gehören sie euch doch nicht.
Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, doch nicht eure Gedanken,
Denn sie haben ihre eigenen Gedanken.
Ihr dürft ihren Leib behausen, doch nicht ihre Seelen.
Denn ihre Seelen wohnen im Hause von morgen, das ihr nicht zu betreten vermögt,
selbst nicht in euren Träumen.
Ihr dürft euch bestreben, ihnen gleich zu werden, doch suchet nicht,
sie euch gleich zu machen.
Denn das Leben läuft nicht rückwärts, noch verweilet es beim Gestern.
Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder als lebende Pfeile entsandt werden.
Der Schütze sieht das Zeichen auf dem Pfade der Unendlichkeit, und Er biegt euch mit
Seiner Macht, auf dass Seine Pfeile schnell und weit fliegen.
Möge das Biegen in des Schützen Hand euch zur Freude gereichen;
Denn gleich wie Er den fliegenden Pfeil liebt, so liebt Er auch den Bogen, der standhaft bleibt.

 
 
9 
 März 
 
2018

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DICHTUNG Rainer Maria Rilke
LESUNG Will Quadflieg
BEREITSTELLUNG wortlover



Da rinnt der Schule lange Angst und Zeit
mit Warten hin, mit lauter dumpfen Dingen.
O Einsamkeit, o schweres Zeitverbringen …
Und dann hinaus: die Straßen sprühn und klingen,
und auf den Plätzen die Fontänen springen,
und in den Gärten wird die Welt so weit. –
Und durch das alles gehn im kleinen Kleid,
ganz anders als die andern gehn und gingen–:
O wunderliche Zeit, o Zeitverbringen,
o Einsamkeit.

Und in das alles fern hinauszuschauen:
Männer und Frauen; Männer, Männer, Frauen
und Kinder, welche anders sind und bunt;
und da ein Haus und dann und wann ein Hund
und Schrecken lautlos wechselnd mit Vertrauen –:
O Trauer ohne Sinn, o Traum, o Grauen,
o Tiefe ohne Grund.

Und so zu spielen: Ball und Ring und Reifen
in einem Garten, welcher sanft verblaßt,
und manchmal die Erwachsenen zu streifen
blind und verwildert in des Haschens Hast,
aber am Abend still, mit kleinen steifen
Schritten nach Haus zu gehn, fest angefaßt –:
O immer mehr entweichendes Begreifen,
o Angst, o Last.

Und stundenlang am großen grauen Teiche
mit einem kleinen Segelschiff zu knien;
es zu vergessen, weil noch andre, gleiche
und schönere Segel durch die Ringe ziehn,
und denken müssen an das kleine bleiche
Gesicht, das sinkend aus dem Teiche schien –:
O Kindheit, o entgleitende Vergleiche,
wohin? Wohin?

 
 
2 
 Januar 
 
2018


 

Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind.

Matthäus 5,15