Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

24 
 November 
 
2016


 

Wie wenn die alten Wasser, die in andern Zorn,
In schröcklichern verwandelt wieder
Kämen, zu reinigen, da es not war,

So gählt’ und wuchs und wogte von Jahr zu Jahr
Rastlos und überschwemmte das bange Land
Die unerhörte Schlacht, daß weit hüllt
Dunkel und Blässe das Haupt der Menschen.

Die Heldenkräfte flogen, wie Wellen, auf
Und schwanden weg, du kürztest, o Rächerin!
Den Dienern oft die Arbeit schnell und
Brachtest in Ruhe sie heim, die Streiter.

O du, die unerbittlich und unbesiegt
Den Feigern und den Übergewaltgen trifft,
Daß bis ins letzte Glied hinab vom
Schlage sein armes Geschlecht erzittert,

Die du geheim den Stachel und Zügel hältst,
Zu hemmen und zu fördern, o Nemesis,
Strafst du die Toten noch, es schliefen
Unter Italiens Lorbeergärten

Sonst ungestört die alten Eroberer.
Und schonst du auch des müßigen Hirten nicht,
Und haben endlich wohl genug den
Üppigen Schlummer gebüßt die Völker?

Wer hub es an? wer brachte den Fluch? von heut
Ists nicht und nicht von gestern, und die zuerst
Das Maß verloren, unsre Väter
Wußten es nicht, und es trieb ihr Geist sie.

Zu lang, zu lang schon treten die Sterblichen
Sich gern aufs Haupt, und zanken um Herrschaft sich,
Den Nachbar fürchtend, und es hat auf
Eigenem Boden der Mann nicht Segen.

Und unstät wehn und irren, dem Chaos gleich,
Dem gärenden Geschlechte die Wünsche noch
Umher und wild ist und verzagt und kalt von
Sorgen das Leben der Armen immer.

Du aber wandelst ruhig die sichre Bahn,
O Mutter Erd, im Lichte. Dein Frühling blüht,
Melodischwechselnd gehn dir hin die
Wachsenden Zeiten, du Lebensreiche!

Komm du nun, du der heiligen Musen all,
Und der Gestirne Liebling, verjüngender
Ersehnter Friede, komm und gib ein
Bleiben im Leben, ein Herz uns wieder.

Unschuldiger! sind klüger die Kinder doch
Beinahe, denn wir Alten; es irrt der Zwist
Den Guten nicht den Sinn, und klar und
Freudig ist ihnen ihr Auge blieben.

Und wie mit andern Schauenden lächelnd ernst
Der Richter auf der Jünglinge Rennbahn sieht,
Wo glühender die Kämpfenden die
Wagen in stäubende Wolken treiben,

So steht und lächelt Helios über uns
Und einsam ist der Göttliche, Frohe nie,
Denn ewig wohnen sie, des Aethers
Blühende Sterne, die Heiligfreien.

 

Textdichter Friedrich Hölderlin
Lesung Mathias Wieman

 
 
13 
 August 
 
2016

abgelegt in
Huch, Ricarda

 

Von dem Turme im Dorfe klingt
Ein süßes Geläute;
Man sinnt, was es deute,
daß die Glocke im Sturme nicht schwingt.
Mich dünkt, so hört ich‘s als Kind;
Dann kommen die Jahre der Schande;
Nun trägt’s in die Weite der Wind,
Dass Friede im Lande.

Wo mein Vaterhaus einst fest stand,
Wächst wuchernde Heide;
ich pflück, eh ich scheide,
einen Zweig mit zitternder Hand.
Das ist von der Väter Gut
Mein einziges Erbe;
Nichts bleibt, wo mein Haupt sich ruht,
bis ich einsam sterbe.

Meine Kinder verwehte der Krieg;
Wer bringt sie mir wieder?
Beim Klange der Lieder
Feiern Fürsten und Herren den Sieg.
Sie freuen sich beim Friedensschmaus,
die müß’gen Soldaten fluchen –
Ich ziehe am Stabe hinaus,
mein Vaterland suchen.

Textdichterin Ricarda Huch
Lesung Rosel Zech

 
 
16 
 Juli 
 
2016


 

DICHTUNG Hermann Hesse
LESUNG Dagmar Manzel
CELLO Jan Vogler
ARRANGEMENT Schönherz & Fleer
VIDEO Winter im Paris
BEREITSTELLUNG LYRIK & MUSIK


 

Auf Dach und Simsen überall
Der stetig leise Tropfenfall
Und weit hinein ins dunkle Land
Sanft wie ein Schleier ausgespannt,
Der sich im Winde senkt und hebt
Und leblos ist und dennoch lebt.
Der Acker, der die Wolke zieht,
Der Himmel, der zur Erde strebt,
Das wogt und rinnt und klagt und bebt
In diesem stetig leisen Lied,
So wie ein tiefer Geigenklang
Geheimer Sehnsucht dunklen Drang
In Töne hüllt und weiterträgt
Und da und dort ein Herz bewegt,
Das nach demselben Heimwehland
Sich sehnend keine Worte fand.
Und was nicht Wort, nicht Geige sagt,
Wird Ton und schwillt zu stiller Macht
Im stetig leisen Wiegetakt
Der windbewegten Regennacht;
Die nimmt, was klaglos rang und litt,
In ihre dunklen Lieder mit.