Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

26 
 November 
 
2016

abgelegt in
Die Stoa | Gedankenschau

 

O, was ist der Mensch, daß er über sich klagen darf!

Ich will, lieber Freund, ich verspreche dir’s, ich will mich bessern, will nicht mehr ein bißchen Übel, das uns das Schicksal vorlegt, wiederkäuen, wie ich’s immer getan habe; […] das Vergangene soll mir vergangen sein.

Gewiß, du hast recht, Bester, der Schmerzen wären minder unter den Menschen, wenn sie nicht – Gott weiß, warum sie so gemacht sind! – mit so viel Emsigkeit der Einbildungskraft [1]Alles im Leben hängt von der Einbildung ab:
Ehrgeiz, Verschwendung und Habsucht leben von ihr. Der Schmerz nicht minder.
Jeder ist so unglücklich wie er zu sein glaubt.
Seneca
sich beschäftigten, die Erinnerungen des vergangenen Übels zurückzurufen, eher als eine gleichgültige Gegenwart zu ertragen.


aus: Johann Wolfgang von Goethe:
“Die Leiden des jungen Werther”
Kapitel 1, Erstes Buch.
Tagebucheintrag am 4. Mai 1771

Glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist…

Fußnoten[+]

 
 
30 
 Oktober 
 
2016


 


Sancta Esenculo! [1]Heilig Wesen!

Me esas trublinta [2]Gestört hab’ ich
la orea deo-repozo [3]die goldene Götterruhe
a tu sovente. [4]dir oft.

E la plu misteria, plu profunda [5]Und der geheimeren, tiefern
dolori de la vivo [6]Schmerzen des Lebens
tu esas aprentinta multi al me. [7]Hast du manche gelernt von mir.

Ho oblivez ol, pardonez! [8]O vergiß es, vergib!

Simile a la nubo ibe [9]Gleich dem Gewölke dort
ante la luno tranquila, [10]vor dem friedlichen Mond
me foriras, [11]geh ich dahin,
e tu [12]und du
kalmas e lumas [13]ruhst und glänzest
en tua belaco itere, [14]in deiner Schönheit wieder,
tu dolca lumo! [15]du süßes Licht!

 

Textdichter Friedrich Hölderlin
Lesung Christian Brückner

Fußnoten[+]

 
 
2 
 September 
 
2016


 

Heilig Wesen! gestört hab ich die goldene
Götterruhe dir oft, und der geheimeren,
Tiefern Schmerzen des Lebens
Hast du manche gelernt von mir.

O vergiß es, vergib! gleich dem Gewölke dort
Vor dem friedlichen Mond, geh ich dahin, und du
Ruhst und glänzest in deiner
Schöne wieder, du süßes Licht!

 

Textdichter Friedrich Hölderlin
Lesung Christian Brückner