5 Mai 2012 |
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Ich kann den Blick nicht von euch wenden;
Ich muß euch anschaun immerdar:
Wie reicht ihr mit geschäft’gen Händen
Dem Schiffer eure Habe dar!
Ihr Männer, die ihr von dem Nacken
Die Körbe langt, mit Brot beschwert,
Das ihr aus deutschem Korn gebacken,
Geröstet habt auf deutschem Herd;
Und ihr, im Schmuck der langen Zöpfe,
Ihr Schwarzwaldmädchen, braun und schlank,
Wie sorgsam stellt ihr Krüg’ und Töpfe
Auf der Schaluppe grüne Bank!
Das sind dieselben Töpf’ und Krüge,
Oft an der Heimat Born gefüllt!
Wenn am Missouri alles schwiegen
Sie malten euch der Heimat Bild:
Des Dorfes steingefaßte Quelle,
Zu der ihr schöpfend euch gebückt,
Des Herdes traute Feuerstelle,
Das Wandgesims, das sie geschmückt
Bald zieren sie im fernen Westen
Des leichten Bretterhauses Wand;
Bald reicht sie müden braunen Gästen,
Voll frischen Trunkes, eure Hand.
Es trinkt daraus der Tscherokese,
Ermattet, von der Jagd bestaubt;
Nicht mehr von deutscher Rebenlese
Tragt ihr sie heim, mit Grün belaubt.
O sprecht! warum zogt ihr von dannen?
Das Neckartal hat Wein und Korn;
Der Schwarzwald steht voll finstrer Tannen,
Im Spessart klingt des Älplers Horn.
Wie wird es in den fremden Wäldern
Euch nach der Heimatberge Grün,
Nach Deutschlands gelben Weizenfeldern,
Nach seinen Rebenhügeln ziehn!
Wie wird das Bild der alten Tage
Durch eure Träume glänzend wehn!
Gleich einer stillen, frommen Sage
Wird es euch vor der Seele stehn.
Der Bootsmann winkt! – Zieht hin in Frieden:
Gott schütz’ euch, Mann und Weib und Greis!
Sei Freude eurer Brust beschieden,
Und euren Feldern Reis und Mais!
Dichtung | Ferdinand Freiligrath | |
Lesung | Mathieu Carrière | |
Bereitstellung | wortlover |
15 April 2012 |
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aus: “Sebastian im Traum”
Die Bläue meiner Augen ist erloschen in dieser Nacht,
Das rote Gold meines Herzens. O! wie stille brannte das Licht.
Dein blauer Mantel umfing den Sinkenden;
Dein roter Mund besiegelte des Freundes Umnachtung.
Dichtung | Georg Trakl | |
Lesung | Frederik Kranemann | |
Bereitstellung | Der Critische Musicus |
11 April 2012 |
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Eine schwarze Taube ist die Nacht …
Du denkst so sanft an mich.
Ich weiß, dein Herz ist still,
Mein Name steht auf seinem Saum.
Die Leiden, die dir gehören,
Kommen zu mir.
Die Seligkeiten, die dich suchen,
Sammele ich unberührt.
So trage ich die Blüten deines Lebens weiter fort.
Und möchte doch mit dir stille stehn,
Zwei Zeiger auf dem Zifferblatt.
O, alle Küsse sollen schweigen
Auf beschienenen Lippen liebentlang.
Niemehr soll es früh werden,
Da man deine Jugend brach.
In deiner Schläfe Starb ein Paradies.
Mögen sich die Traurigen
Die Sonne in den Tag malen.
Und die Trauernden Schimmer auf ihre Wangen legen.
Im schwarzen Wolkenkelche Steht die Mondknospe.
… Du denkst so sanft an mich.
Dichtung | Else Lasker-Schüler | |
Lesung | Elke Heidenreich | |
Bereitstellung | wortlover |