Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

30 
 Dezember 
 
2018

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Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

 

Biografisch (0:42)
Franz Grillparzer (1791 – 1872)
Am fünfzehnten Jänner 1791 geboren.
Gestorben? – Ich weiß noch nicht, wann?
Kommt einst dir das Datum zu Ohren,
So fügs zur Ergänzung hier an.

Und hast du es niedergeschrieben,
So hast du mich ganz, auf ein Haar.
Was etwa noch übrig geblieben,
Wird wohl nach dem Tode erst wahr.
Der Halbmond (2:04)
Franz Grillparzer (1791 – 1872)
Der Halbmond glänzet am Himmel,
Und es ist neblicht und kalt.
Gegrüßt seist du Halber dort oben,
Wie du, bin ich einer, der halb.

Halb gut, halb übel geboren,
Und dürftig in beider Gestalt.
Mein Gutes ohne Würde,
Das Böse ohne Gewalt.

[…]
Halb gab ich mich hin den Musen,
Und sie erhörten mich halb.
Hart auf der Hälfte des Lebens
Entflohn sie und ließen mich alt.
[…]
An die Kritiker (3:34)
Franz Grillparzer (1791 – 1872)
Die Kritiker, will sagen: die neuen,
Vergleich ich den Papageien.
Sie haben drei oder vier Worte,
Die wiederholen sie an jedem Orte.

Romantisch, klassisch und modern:
Scheint schon ein Urteil diesen Herrn.
Und sie übersehen in stolzem Mut
Die wahren Gattungen: schlecht und gut.
Licht und Schatten (4:23)
Franz Grillparzer (1791 – 1872)
Schwarz die Brauen,
Weiß ihre Brust,
Klein mein Vertrauen,
Doch groß meine Lust.

Schwatzhaft in Blicken,
Schweigend die Zung,
Alt das Missglücken,
Wunsch immer jung.

Arm, was ich brachte,
Reich meine Lieb,
Warm, was ich dachte,
Kalt, was ich schrieb.
Hier ist die Stelle (5:11)
Franz Grillparzer (1791 – 1872)
Wie bist du schaurig
Du dunkle Nacht!
Hier waren Wiesen,
War Farbenpracht.

Hier ist die Stelle,
Hier stand das Haus.
Ich such, ich taste,
Ich finds nicht aus.
Das Hobellied (6:49)
Ferdinand Raimund (1790 – 1836)
Da streiten sich die Leut herum
Oft um den Wert des Glücks.
Der eine heißt den andern dumm.
Am End weiß keiner nix.
Das ist der allerärmste Mann,
Der andre viel zu reich.
Das Schicksal setzt den Hobel an
Und hobelt sie beide gleich.

Die Jugend will halt stets mit G’walt
In allem glücklich sein.
Doch wird man nur ein bisschen alt,
Da find’t man sich schon drein.
Oft zankt mein Weib mit mir, o Graus!
Das bringt mich nicht in Wut,
Da klopf ich meinen Hobel aus
Und denk, du brummst mir gut.

Zeigt sich der Tod einst mit Verlaub
Und zupft mich: Brüderl, kumm,
Da stell ich mich im Anfang taub
Und schau mich gar nicht um.
Doch sagt er: Lieber Valentin,
Mach keine Umständ, geh!
Da leg ich meinen Hobel hin
Und sag der Welt Ade.
 
 
18 
 Juni 
 
2016

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Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

 

Die Heinzelmännchen von Köln (0:56)
August Kopisch (1799– 1853)
Wie war zu Köln es doch vordem
Mit Heinzelmännchen so bequem!
Denn, war man faul, man legte sich
Hin auf die Bank und pflegte sich.
Da kamen bei Nacht,
Eh mans gedacht,
Die Männlein und schwärmten
Und klappten und lärmten
Und rupften
Und zupften
Und hüpften und trabten
Und putzten und schabten.
Und eh ein Faulpelz noch erwacht,
War all sein Tagewerk bereits gemacht.

Die Zimmerleut streckten sich
Hin auf die Spän und reckten sich.
Indessen kam die Geisterschar
Und sah, was da zu zimmern war,
Nahm Meißel und Beil
Und die Säg in Eil.
Die sägten und stachen
Und hieben und brachen,
Berappten
Und kappten,
Visierten wie Falken
Und setzten die Balken.
Eh sichs der Zimmermann versah,
Klapp! Stand das ganze Haus schon fertig da!

Beim Bäckermeister war nicht Not,
Die Heinzelmännchen backten Brot.
Die faulen Burschen legten sich,
Die Heinzelmännchen regten sich.
Und ächzten daher
Mit den Säcken schwer
Und kneteten tüchtig
Und wogen es richtig
Und hoben
Und schoben
Und fegten und backten
Und klopften und hackten.
Die Burschen schnarchten noch im Chor
Da rückte schon das Brot, das neue, vor!

Beim Fleischer ging es just so zu:
Gesell und Bursche lag in Ruh.
Indessen kamen die Männlein her
Und hackten das Schwein die Kreuz und Quer.
Das ging so geschwind
Wie die Mühl im Wind!
Die klappten mit Beilen,
Die schnitzten an Speilen,
Die spülten,
Die wühlten,
Die mengten und mischten
Und stopften und wischten.
Tat der Gesell die Augen auf,
Wapp! Hing die Wurst schon da im Ausverkauf!

Beim Schenken war es so. Es trank
Der Küfer bis er niedersank.
Am hohlen Fasse schlief er ein.
Die Männlein sorgten um den Wein
Und schwefelten fein
Alle Fässer ein.
Sie rollten und hoben
Mit Winden und Kloben
Und schenkten
Und senkten
Und gossen und panschten
Und mengten und manschten.
Und eh der Küfer noch erwacht,
War schon der Wein geschönt und fein gemacht!

Einst hatt ein Schneider große Pein:
Der Staatsrock sollte fertig sein!
Warf hin das Zeug und legte sich
Hin auf das Ohr und pflegte sich.
Da schlüpften sie frisch
Auf den Schneidertisch
Und schnitten und rückten
Und nähten und stickten
Und fassten
Und passten
Und strichen und guckten
Und zupften und ruckten.
Und eh mein Schneiderlein erwacht,
War Bürgermeisters Rock bereits gemacht!

Neugierig war des Schneiders Weib
Und macht sich diesen Zeitvertreib:
Streut Erbsen hin die andre Nacht.
Die Heinzelmännchen kommen sacht.
Eins fähret nun aus,
Schlägt hin im Haus.
Die gleiten von Stufen
Und plumpen in Kufen,
Die fallen
Mit Schallen,
Die lärmen und schreien
Und vermaledeien!
Sie springt hinunter auf den Schall
Mit Licht: husch husch husch husch! – verschwinden all.

O weh! Nun sind sie alle fort,
Und keines ist mehr hier am Ort!
Man kann nicht mehr wie sonsten ruhn,
Man muss nun alles selber tun!
Ein jeder muss fein
Selbst fleißig sein
Und kratzen und schaben
Und rennen und traben
Und schniegeln
Und bügeln
Und klopfen und hacken
Und kochen und backen.
Ach, dass es noch wie damals wär!
Doch kommt die schöne Zeit nicht wieder her!

Die Wahrheit ohne Herberge (5:23)
August Kopisch (1799– 1853)
Wer klopft bei solchem Wetter? »Ich bins, ein armer Mann,
Der, weil er Wahrheit redet, nicht unterkommen kann.«
»Wie schlimm sind doch die Leute! Geh, Hans, tu auf die Tür!
Ich such indes was Warmes dem armen Mann herfür.«
»Herein! Wir li-li-lieben ein wa-wa-wahres Wort!«
»Wer weiß, vielleicht muss ich auch hier bald wieder fort.
Doch sagt mir, krumme Mutter und stotteriger Mann,
Wo häng ich jetzo hier mein Reiseränzel an?«
»Du Fle-Fle-Fle-Fle-Flegel! Fo – fort aus unserm Haus!«
»Da habt ihrs! Niemand hält mehr die reine Wahrheit aus!«
Das Meeresleuchten (7:00)
August Kopisch (1799– 1853)
Komm in mein Schiff,
Geliebter, hier her!
Die Nacht ist so still, und
Es leuchtet das Meer!

Doch wo ich auch rudre,
Entbrennet die Flut!
Es schaukelt mein Nachen
In wallender Glut!
Die Glut ist die Liebe
Der Nachen bin ich.
Ich sink in die Flammen.
O rette Du mich!