Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

6 
 Mai 
 
2012

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Aus dem “Buch der Bilder”

Der Park ist hoch. Und wie aus einem Haus
tret ich aus seiner Dämmerung heraus
in Ebene und Abend. In den Wind,
denselben Wind, den auch die Wolken fühlen,
die hellen Flüsse und die Flügelmühlen,
die langsam mahlend stehn am Himmelsrand.
Jetzt bin auch ich ein Ding in seiner Hand,
das kleinste unter diesen Himmeln. – Schau:

Ist das Ein Himmel?: Selig lichtes Blau,
in das sich immer reinere Wolken drängen,
und drunter alle Weiß in Übergängen,
und drüber jenes dünne, große Grau,
warmwallend wie auf roter Untermalung,
und über allem diese stille Strahlung
sinkender Sonne. Wunderlicher Bau,
in sich bewegt und von sich selbst gehalten,
Gestalten bildend, Riesenflügel, Falten
und Hochgebirge vor den ersten Sternen
und plötzlich, da: ein Tor in solche Fernen,
wie sie vielleicht nur Vögel kennen …

 

Dichtung Rainer Maria Rilke
Lesung Vera
Bereitstellung RilkeForum

 
 
6 
 Mai 
 

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Aus dem “Buch der Bilder”

Wer du auch seist: am Abend tritt hinaus
aus deiner Stube, drin du alles weißt;
als letztes vor der Ferne liegt dein Haus:
wer du auch seist.
Mit deinen Augen, welche müde kaum
von der verbrauchten Schwelle sich befrein,
hebst du ganz langsam einen schwarzen Baum
und stellst ihn vor den Himmel: schlank, allein.
Und hast die Welt gemacht. Und sie ist groß
und wie ein Wort, das noch im Schweigen reift.
Und wie dein Wille ihren Sinn begreift,
lassen sie deine Augen zärtlich los.

 

Dichtung Rainer Maria Rilke
Lesung Vera
Bereitstellung RilkeForum

 
 
28 
 April 
 
2012


 
Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

 

 

»Seit fünfzehn Jahren lebt Herr Brentano entfernt von der Welt, eingeschlossen, ja eingemauert in seinen Katholizismus.

Gegen sich selbst und sein poetisches Talent hat er am meisten seine Zerstörungssucht geübt.

Sein Name ist in der letzten Zeit fast verschollen und nur wenn die Rede von
den Volksliedern ist, die er mit seinem verstorbenen Freund Achim von Arnim herausgegeben hat, wird er noch zuweilen genannt«

Heinrich Heine
über Clemens von Brentano

 

 
Wenn der lahme Weber träumt, er webe… (1:15)
Clemens Brentano (1778 – 1842)

Wenn der lahme Weber träumt, er webe,
Und die kranke Lerche träumt, sie schwebe,
Träumt die stumme Nachtigall, sie singe,
Dass ein Herz vom Widerhall zerspringe.

Träumt das blinde Huhn, es zähl die Kerne,
Und wer nur bis drei kann zählen die Sterne,
Träumt die taube Nüchternheit, sie lausche,
Wie die Traube Schüchternheit berausche.

Kommt dann Wahrheit mutternackt gelaufen,
Führt der hellen Töne Glanzgefunkel
Und der grellen Lichter Tanz durchs Dunkel,
Rennt den Traum sie schmerzlich übern Haufen.

Horch! Die Fackel lacht, horch! Schmerz-Schalmeien
Der erwachten Nacht ins Herz dir schreien!
Weh, ohn Opfer gehn die süßen Wunder,
Gehn die armen Herzen einsam unter.

 

 
Abendständchen (2:41)
Clemens Brentano (1778 – 1842)

Hör, es klagt die Flöte wieder.
Und die kühlen Brunnen rauschen.
Golden wehn die Töne nieder.
Stille, stille, lass und lauschen!

Holdes Bitten, mild Verlangen,
Wie es süß zum Herzen spricht!
Durch die Nacht, die mich umfangen,
Blickt zu mir der Töne Licht.

Hörst du, wie die Brunnen rauschen?
Hörst du, wie die Grille zirpt?
Stille, stille, lass uns lauschen.
Selig, wer in Träumen stirbt.

Selig, wen die Wolken wiegen,
Wem der Mond ein Schlaflied singt!
O, wie selig kann der fliegen,
Dem der Traum den Flügel schwingt,

Dass an blauer Himmelsdecke
Sterne er wie Blumen pflückt.
Schlafe, träume, flieg! Ich wecke
Bald dich auf und bin beglückt.

 

 
Verzweiflung an der Liebe in der Liebe (5:55)
Clemens Brentano (1778 – 1842)

In Liebeskampf? In Todeskampf versunken?
Ob Atem noch von ihren Lippen fließt?
Ob ihr der Krampf den kleinen Mund verschließt?
Kein Öl die Lampe? Oder keinen Funken?

Der Jüngling – betend? Tot? In Liebe trunken?
Ob er der Jungfrau höchste Gunst genießt?
Was ists, das der gefallne Becher gießt?
Hat Gift, hat Wein, hat Balsam er getrunken?

Des Jünglings Arme Engelsflügel werden –
Nein, Mantelfalten – Leichentuchs Falten.
Um sie strahlt Heiligenschein – zerraufte Haare.

Strahl Himmelslicht! Flamm Hölle zu der Erde!
Brich der Verzweiflung rasende Gewalten!
Enthüll – verhüll – das Freudenbett – die Bahre!

 

 
Der Spinnerin Nachtlied (7:58)
Clemens Brentano (1778 – 1842)

Es sang vor langen Jahren
Wohl auch die Nachtigall.
Das war ein süßer Schall,
Als wir zusammen waren.

Ich sing und kann nicht weinen
Und lausche so allein
Den Worten klar und rein,
Solang der Mond wird scheinen.

Als wir zusammen waren,
Da sang die Nachtigall.
Nun mahnet mich ihr Schall,
Dass du von mir gefahren.

So oft der Mond mag scheinen,
Denk ich wohl dein allein.
Mein Herz ist klar und rein.
Gott wolle uns vereinen.

Seit du von mir gefahren,
Singt stets die Nachtigall.
Ich denk bei ihrem Schall,
Wie wir zusammen waren.

Gott wolle uns vereinen.
Hier sitz ich so allein.
Der Mond scheint klar und rein.
Ich sing und möchte weinen.

 
 


 
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