Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

26 
 Januar 
 
2018


 

DICHTUNG Reinhold Schneider
LESUNG Sandra Hüller



Allein den Betern kann es noch gelingen
Das Schwert ob unsern Häuptern aufzuhalten
Und diese Welt den richtenden Gewalten
Durch ein geheiligt Leben abzuringen.

Denn Täter werden nie den Himmel zwingen:
Was sie vereinen, wird sich wieder spalten,
Was sie erneuern, über Nacht veralten,
Und was sie stiften, Not und Unheil bringen.

Jetzt ist die Zeit, da sich das Heil verbirgt,
Und Menschenhochmut auf dem Markte feiert,
Indes im Dom die Beter sich verhüllen,

Bis Gott aus unsern Opfern Segen wirkt
Und in den Tiefen, die kein Aug‘ entschleiert,
Die trockenen Brunnen sich mit Leben füllen.

 
 
14 
 Juni 
 
2017


 

Labrys der Alkippe [1]Der Treue Spiegelbild

 
Musik
Robert Schumann [2]Kinderszenen Op. 15

Hippolytes Schlummersang [3]Hippolytes ist die Königin der Amazonen
… der sterbenden Alkippe

Hyppolytes
Noch wahrt [4]birgt / flammt das Antlitz geschmeidigen Sinn,
umsäumen der wallenden Locken samtenes Band,
der Wangen Linienschwung den feinen [5]zarten Schliff,
des schmucken Perlmutthalses schlanken Schaft.

Alkippe
Und mit der Lippe letzter Glut
präg’ nun der Stirne Klingenblatt
mit reiner Flamme Zartgravur.
→ zu Mnemosynes Geleit
Hephaistos’ Kunstschmiede

Fußnoten[+]

 
 
29 
 August 
 
2016


 

DICHTUNG Georg Trakl
LESUNG Oskar Werner
BEREITSTELLUNG LYRIK & MUSIK


 

I

Vom Schatten eines Hauchs geboren
Wir wandeln in Verlassenheit
Und sind im Ewigen verloren,
Gleich Opfern unwissend, wozu sie geweiht.

Gleich Bettlern ist uns nichts zu eigen,
Uns Toren am verschloßnen Tor.
Wie Blinde lauschen wir ins Schweigen,
In dem sich unser Flüstern verlor.

Wir sind die Wandrer ohne Ziele,
Die Wolken, die der Wind verweht,
Die Blumen, zitternd in Todeskühle,
Die warten, bis man sie niedermäht.

II

Daß sich die letzte Qual an mir erfülle,
Ich wehr’ euch nicht, ihr feindlich dunklen Mächte.
Ihr seid die Straße hin zur großen Stille,
Darauf wir schreiten in die kühlsten Nächte.

Es macht mich euer Atem lauter brennen,
Geduld! Der Stern verglüht, die Träume gleiten
In jene Reiche, die sich uns nicht nennen,
Und die wir traumlos dürfen nur beschreiten.

III

Du dunkle Nacht, du dunkles Herz,
Wer spiegelt eure heiligsten Gründe,
Und eurer Bosheit letzte Schlünde?
Die Maske starrt vor unserm Schmerz –

Vor unserm Schmerz, vor unsrer Lust
Der leeren Maske steinern Lachen,
Daran die irdnen Dinge brachen,
Und das uns selber nicht bewußt.

Und steht vor uns ein fremder Feind,
Der höhnt, worum wir sterbend ringen,
Daß trüber unsre Lieder klingen
Und dunkel bleibt, was in uns weint.

IV

Du bist der Wein, der trunken macht,
Nun blut ich hin in süßen Tänzen
Und muß mein Leid mit Blumen kränzen!
So will’s dein tiefster Sinn, o Nacht!

Ich bin die Harfe in deinem Schoß,
Nun ringt um meine letzten Schmerzen
Dein dunkles Lied in meinem Herzen
Und macht mich ewig, wesenlos.

V

Tiefe Ruh – o tiefe Ruh!
Keine fromme Glocke läutet,
Süße Schmerzensmutter du –
Deinen Frieden todgeweitet.
Schließ mit deinen kühlen, guten
Händen alle Wunden zu –
Daß nach innen sie verbluten –
Süße Schmerzensmutter – du!