Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

10 
 Juni 
 
2012

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Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

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Du und ich (1:20)
Alexander Sergejewitsch Puschkin (1799 – 1837)

Du bist reich und dick und mächtig,
Rosig strahlend wie der Mohn.
Ich, ein armer Musensohn,
Ich bin totenblass und schmächtig.

Sorgen plagten dich noch nie,
Prunkst in einem prächtgen Hause.
Ich in meiner dürftgen Klause
Wälz auf Stroh mich wie ein Vieh.

Dir setzt man die feinsten Sachen
Und den besten Wein vors Maul.
Bist danach oft selbst zu faul,
Zum Abort nen Schritt zu machen.

Ich, ich darf nur Wasser saufen,
Trocknes Brot steht mir nur zu,
Habs dann nicht so nah wie du,
Hundert Schritte muss ich laufen!

Glaub nicht, dass ich dich beneide!
Diener stehn bei dir herum,
Und du blickst dich böse um,
Wischst du dir den Arsch mit Seide.

Ich, ich pfleg mein sündig Loch
Nicht nach dieser noblen Mode.
Schneid Grimassen zwar, jedoch
Mach ichs mit ner Chwostow-Ode.

 

 
Exegi monumentum (5:11)
Alexander Sergejewitsch Puschkin (1799 – 1837)

Ein Denkmal baut ich mir, wie Hände keins erheben,
Des Volkes Pfad zu ihm wächst niemals zu. Es wagt,
Unbändgen Hauptes, höher himmelan zu streben,
Als Alexanders Säule ragt.

Nein, ganz vergeh ich nicht – im heilgen Klang der Saiten
Lebt unverweslich, wenn der Leib zerfiel, mein Geist –
Lebendig werd ich sein, solang auf Erdenbreiten
Man einen einzgen Dichter preist.

So weit sich Russland dehnt, kennt jeder meine Muse.
Es kennt mich jedes Volk, das unser Reich umspannt:
Die Slawen allesamt, der Finne, der Tunguse
Und der Kalmück am Steppenrand.

Und lang werden sie liebend mich im Herzen tragen,
Weil Edles ich erweckt mit meiner Leier Klang,
Weil ich die Freiheit pries in unsern strengen Tagen
Und Nachsicht mit den Opfern sang.

 

 
Sendschreiben nach Sibirien (7:50)
Alexander Sergejewitsch Puschkin (1799 – 1837)

Tief in Sibiriens Bergwerk sollt
Ihr Verbannten euer schweres Schicksal tragen.
Doch wir vergessen nicht, was ihr gewollt,
Nicht eures Geistes hohes Wagen.

Durch all die festen Türen dringt
Die Lieb und Freundschaft treuer Seelen,
So wie in eure Marterhöhlen
Jetzt meine freie Stimme klingt.

Die Fesseln werden fallen Stück für Stück.
Die Mauern werden brechen. Freies Leben
Begrüßt euch freudig, und wir geben
Euch Brüdern dann das Schwert zurück.

 
 
2 
 Juni 
 
2012

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Im Namen Jesu (1:05)
Clemens Brentano (1778 – 1842)

Ich möchte gern was schreiben,
Das ewig könnte bleiben.
Denn alles andre Treiben
Will nur die Zeit vertreiben.

Ich möchte gern mein Leben
Zu Ewigem erheben.
Denn alles andre Streben
Ist in den Tod gegeben.

Drum schreib ich einen Namen,
Drum lieb ich einen Namen,
Und leb ich einen Namen,
Der Jesus heißt – sag: Amen.

 

 
Einsam will ich untergehn (2:57)
Clemens Brentano (1778 – 1842)

Einsam will ich untergehn
Keiner soll mein Leiden wissen.
Wird der Stern, den ich gesehn,
Von dem Himmel mir gerissen,
Will ich einsam untergehn,
Wie ein Pilger in der Wüste.

Einsam will ich untergehn
Wie ein Pilger in der Wüste.
Wenn der Stern, den ich gesehn,
Mich zum letzten Male grüßte,
Will ich einsam untergehn,
Wie ein Bettler auf der Heide.

Einsam will ich untergehn
Wie ein Bettler auf der Heide.
Gibt der Stern, den ich gesehn,
Mir nicht weiter das Geleite,
Will ich einsam untergehn,
Wie der Tag im Abendgrauen.

Einsam will ich untergehn
Wie der Tag im Abendgrauen.
Will der Stern, den ich gesehn,
Nicht mehr auf mich niederschauen,
Will ich einsam untergehn,
Wie ein Sklave an der Kette.

Einsam will ich untergehn
Wie der Sklave an der Kette.
Scheint der Stern, den ich gesehn,
Nicht mehr auf mein Dornenbette,
Will ich einsam untergehn,
Wie ein Schwanenlied im Tode.

Einsam will ich untergehn
Wie ein Schwanenlied im Tode.
Ist der Stern, den ich gesehn,
Mir nicht mehr ein Friedensbote,
Will ich einsam untergehn,
Wie ein Schiff in wüsten Meeren.

Einsam will ich untergehn
Wie ein Schiff in wüsten Meeren.
Wird der Stern, den ich gesehn,
Jemals weg von mir sich kehren,
Will ich einsam untergehn,
Wie der Trost in stummen Schmerzen.

Einsam will ich untergehn
Wie der Trost in stummen Schmerzen.
Soll den Stern, den ich gesehn,
Jemals meine Schuld verscherzen,
Will ich einsam untergehn,
Wie mein Herz in deinem Herzen.

 

 
Rückblick (6:22)
Clemens Brentano (1778 – 1842)

Ich wohnte unter vielen, vielen Leuten
Und sah sie alle tot und stille stehn.
Sie sprachen viel von hohen Lebensfreuden
Und liebten, sich im kleinsten Kreis zu drehn.
So war mein Kommen schon ein halbes Scheiden,
Und jeden hab ich einmal nur gesehn.
Denn nimmer hielts mich. Flüchtiges Geschicke
Trieb wild mich fort, sehnt ich mich gleich zurücke.

Und manchem habe ich die Hand gedrücket,
Der freundlich meinem Schritt entgegensah,
Hab in mir selbst die Kränze all gepflücket,
Denn keine Blume war, kein Frühling da,
Und hab im Flug die Unschuld mit geschmücket,
War sie verlassen meinem Wege nah;
Doch ewig, ewig trieb mich’s schnell zu eilen,
Konnt niemals meines Werkes Freude teilen!

Rund um mich war die Landschaft wild und öde,
Kein Morgenrot, kein goldner Abendschein,
Kein kühler Wind durch dunkle Wipfel wehte,
Es grüßte mich kein Sänger in dem Hain.
Auch aus dem Tal schallt’ keines Hirten Flöte,
Die Welt schien mir in sich erstarrt zu sein.
Ich hörte in des Stromes wildem Brausen
Nur eignen Fluges Flügelschläge sausen!

Nur in mir selbst die Tiefe zu ergründen,
Senkt ich ins Herz mit Geistesmacht den Blick;
Doch hier auch konnt es eigne Ruh nicht finden,
Kehrt friedlos stets zur Außenwelt zurück;
Es sah wie Traum das Leben unten schwinden,
Las in den Sternen ewiges Geschick;
Und rings um mich eiskalte Stimmen sprachen:
“Das Herz, es will vor Wonne schier verzagen!

Ich sah sie nicht, die großen Süßigkeiten
Vom Überfluss der Welt. Sie schien mir schal.
Ich musst hinweg mit schnellem Fittich gleiten.
Hinabgedrückt von unerkannter Qual,
Konnt nimmer ich Frucht und Genuss erbeuten
Und zählte stumm der Flügelschläge Zahl.
Von ewigen, unfühlbar mächtgen Wogen
In weite, weite Ferne hingezogen.

Und so noch jetzt. – Wohl muss ich es gestehen,
Dass Dinge mich umscheinen, Menschen gleich.
Zu hören sie, leibhaftig sie zu sehen,
Kann ich nicht leugnen. Doch bleibet mir dies Reich
Der Welt so fremd und hohl, dass all ihr Drehen
Es doch nicht schafft, dass mir der Zweifel weich,
Ob Sein, ob Nichtsein seinen Spuk hier treibe,
Ob solcher Welt auch Seele wohn im Leibe.

 

 
Was reif in diesen Zeilen steht (8:20)
Clemens Brentano (1778 – 1842)

[Auszug]
O Stern und Blume, Geist und Kleid
Lieb, Leid und Zeit und Ewigkeit!
Was reif in diesen Zeilen steht,
Was lächelnd winkt und sinnend fleht,
Das soll kein Kind betrüben.

Die Einfalt hat es ausgesät,
Die Schwermut hat hindurchgeweht,
Die Sehnsucht hats getrieben.
O Stern und Blume, Geist und Kleid
Lieb, Leid und Zeit und Ewigkeit!

 
 
12 
 Mai 
 
2012

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Aus dem “Buch der Bilder”

Und wieder rauscht mein tiefes Leben lauter,
als ob es jetzt in breitern Ufern ginge.
Immer verwandter werden mir die Dinge
und alle Bilder immer angeschauter.
Dem Namenlosen fühl ich mich vertrauter:
Mit meinen Sinnen, wie mit Vögeln, reiche
ich in die windigen Himmel aus der Eiche,
und in den abgebrochnen Tag der Teiche
sinkt, wie auf Fische stehend, mein Gefühl.

 

Dichtung Rainer Maria Rilke
Lesung Vera
Bereitstellung RilkeForum