Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

30 
 Juli 
 
2017


 

Scherenschnitt (bearbeitet)
Margarete Schreiber[1]Foto: Margarete Schreiber. In: “Das Himmelsvolk” von Waldemar Bonsels

 
Orpheus’ Trauer
» Doch starrend vor Schmutz an dem Ufer
saß er sieben der Tag’
und verschmähte die Gabe der Ceres « [2]aus: “Die Metamorphosen” von Ovid


 
Musik
Ludwig van Beethoven [3]Klavierkonzert Nr. 8, Pathétique


[ Bemerkung zum Text ] [4] Ich distanziere mich explit zu Bezügen aus meinem privaten Umfeld, die rein zufällig wären und der Text darüberhinaus dem Jahre 1999(?) entstammt. Lediglich die Verortung im Gedichtezyklus “Mnemosynes Geleit” war angedacht.

 
Klage des Orpheus’

 
Scheidend winkt
des Liebeszaubers milder Flammenblick,
entsagend, letzten Loderschlag.
 
Das Lampenöl ist aufgezehrt,
entsendet matten Trauerflor
als träges Rauchgeschleier
mit schwerer Flügelschwinge.
 
Und mit ihm flieht das kühne Hoffen
entschwelgt, erkühlter Brust.
 
* * *
 
Der stumme Sterbensgruß
haucht eises Herzensregen,
raut Stimme und den samt’gen Blick,
schallt jenen trauten Heimatruf,
der einst mit holder Himmelsmacht
im Taumel regen Busens
des Herzens Säulen wanken ließ.
 
* * *
 
Wo einst der Liebe Treueschwur
auf keucher Lippe glühte,
der Wange Rosenbeet erblühte,
obsiegt nun äschern Schattenwurf,
drang Wollust sich ins Liebesreich
und Flammen der wilden Begierde
entweihten jäh mit lohem Steppenbrand
der Wangen heil’ge Erde.
 
* * *
 
Gewiss, auch dich, Eros,
du mildbeflammter Seelenwächter,
entwaffnet rege Frevelhand der Mächtigen [5]die Parzen,
entreisst den sich’ren Schaft
der ölgetränkten Fackel dir
und tauchet sie in Lethes [6]Lethe ist ein Fluss der Unterwelt Leidensstrom
mit kraller Bärenpranke nieder.
 
* * *
 
Oh heilige Liebesbande,
deines festen Griffes Treugeleit
entglitt mir schon auf halbem Wege.
 
Denn gleich des Kometen verglühenden Glanzes
als silberner Himmelsstreif flüchtiger Schöne
und Spielball der sphärischen Mächte,
so wandelt sich hier nun im Trauertal
der Liebenden tröstlicher Abendstern
grell niederfallend zu Erdenstaub,
als Streu des launischen Windes.
→ zu Mnemosynes Geleit
Eherne Welt

Fußnoten[+]

 
 
25 
 November 
 
2016

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DICHTUNG Heinrich Heine
LESUNG Klaus Maria Brandauer
BEREITSTELLUNG Sergej Fährlich


 

Aus: Buch der Lieder

 
Hoffnung und Liebe! Alles zertrümmert!
Und ich selber, gleich einer Leiche,
Die grollend ausgeworfen das Meer,
Lieg ich am Strande,
Am öden, kahlen Strande,
Vor mir woget die Wasserwüste,
Hinter mir liegt nur Kummer und Elend,
Und über mich hin ziehen die Wolken,
Die formlos grauen Töchter der Luft,
Die aus dem Meer, in Nebeleimern,
Das Wasser schöpfen,
Und es mühsam schleppen und schleppen,
Und es wieder verschütten ins Meer,
Ein trübes, langweilges Geschäft,
Und nutzlos, wie mein eignes Leben.
Die Wogen murmeln, die Möwen schrillen,
Alte Erinnerungen wehen mich an,
Vergessene Träume, erloschene Bilder,
Qualvoll süße, tauchen hervor!

Es lebt ein Weib im Norden,
Ein schönes Weib, königlich schön.
Die schlanke Zypressengestalt
Umschließt ein lüstern weißes Gewand;
Die dunkle Lockenfülle,
Wie eine selige Nacht,
Von dem flechtengekrönten Haupte sich ergießend,
Ringelt sich träumerisch süß
Um das süße, blasse Antlitz;
Und aus dem süßen, blassen Antlitz,
Groß und gewaltig, strahlt ein Auge,
Wie eine schwarze Sonne.

O, du schwarze Sonne, wie oft,
Entzückend oft, trank ich aus dir
die wilden Begeistrungsflammen,
Und stand und taumelte, feuerberauscht –
Dann schwebte ein taubenmildes Lächeln
Um die hochgeschürzten, stolzen Lippen,
Und die hochgeschürzten, stolzen Lippen
Hauchten Worte, süß wie Mondlicht,
Und zart wie der Duft der Rose –
Und meine Seele erhob sich
Und flog, wie ein Aar, hinauf in den Himmel!

Schweigt, ihr Wogen und Möwen!
Vorüber ist Alles, Glück und Hoffnung,
Hoffnung und Liebe! Ich liege am Boden,
Ein öder, schiffbrüchiger Mann,
Und drücke mein glühendes Antlitz
In den feuchten Sand.

 
 
8 
 September 
 
2012


 

DICHTUNG Theodor Storm
LESUNG Gunner Linde
BEREITSTELLUNG wortlover



Von Himmel in die tiefsten Klüfte
Ein milder Stern herniederlacht;
Vom Tannenwalde steigen Düfte
Und hauchen durch die Winterlüfte,
Und kerzenhelle wird die Nacht.

Mir ist das Herz so froh erschrocken,
Das ist die liebe Weihnachtszeit!
Ich höre fernher Kirchenglocken
Mich lieblich heimatlich verlocken
In märchenstille Herrlichkeit.

Ein frommer Zauber hält mich wieder,
Anbetend, staunend muß ich stehn;
Es sinkt auf meine Augenlider
Ein goldner Kindertraum hernieder,
Ich fühl’s ein Wunder ist geschehn.