Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

28 
 Februar 
 
2017


 


Hochgepriesenes Griechenland du,
das längst dem Bewusstsein
uns’rer ernüchterten Tage entfloh’n [1]entschwunden,
du zeugtest die einsten Helden antiker Vorwelt,
die allzeit verehrten.

Auf deinem Amboss
stählte die Gottheit
mit wuchtigem Hammer den Heros,
schmiedete funkenentfahrend
und makeltilgend den göttlichen Streiter.

Wohl dem Erdensohn,
der vom Götterschmied selbst, von Hephaistos,
auf den Amboss gezerrt
wahre Vollendung erlangt.

Fest im Zangengriff nimmt der Meister
das glühende Eisen
vom kohlebeschürten Glutherd
und rückt es gefügig
auf des Ambosses ebener Fläche zurecht.
Donnergleich fährt des Hammerschwungs Allmacht danieder
und zwingt das erweichte Metall
zur vollendeten Form.
Abgeschreckt im Wasserbad
taucht aus der Flut es empor
und erfreuet den prüfenden Blick.

So füllt sich mit allerlei Schmiedwerk,
mit allerlei kostbarem Kriegsgerät
die Waffenkammer der Götter.

* * *

Allen voran preis’ ich Herakles,
gehärtete Spitze des sühnenden Pfeils,
der siegesbeflügelt und zielgewiss im Gigantenkampf,
die entscheidende Wende herbeiführte,
den himmlischen Göttern zugunsten.
Siegreicher Kriegsheld,
in dir einst verklärte sich, nahm Gestaltung
der schaffende Wille und formte das Göttliche
mit dem Hammer allwaltenden Schicksals.

Auch Achilles
durchlief des Götterschmieds heimliche Werkstatt,
war in der Griechen Armee
der nie fehlende Speer zu den Mauern Trojas,
durfte sich rühmlich erzeigen,
bevor ihn am skäischen Tor
des Paris’ verderblich’ Geschoss
und damit sein Unheil ereilte.
Siegreicher Kriegsheld auch du!
Groß war dein furchtloser Kampfesmut,
nicht minder deine Verheißung.
So empfing dein sterbliches Haupt der Unsterblichkeit Krone!

* * *

Wunderwerke
vollbrachte der Schmied in geschäftigter Kammer.
Durch seiner Hände Tat
verlieh er der Vorstellung selbst,
dem Reich kühner Träume,
feste Natur in fassbaren Zügen,
half er doch einst auch mit spaltender Axt
dem Zeus bei der Kopfgeburt der Athene,
die in voller Rüstung Erstand’ne.
→ zu Mnemosynes Geleit
Hephaistos’ Kunstschmiede

Fußnoten[+]

 
 
25 
 November 
 
2016

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DICHTUNG Heinrich Heine
LESUNG Klaus Maria Brandauer
BEREITSTELLUNG Sergej Fährlich


 

Aus: Buch der Lieder

 
Hoffnung und Liebe! Alles zertrümmert!
Und ich selber, gleich einer Leiche,
Die grollend ausgeworfen das Meer,
Lieg ich am Strande,
Am öden, kahlen Strande,
Vor mir woget die Wasserwüste,
Hinter mir liegt nur Kummer und Elend,
Und über mich hin ziehen die Wolken,
Die formlos grauen Töchter der Luft,
Die aus dem Meer, in Nebeleimern,
Das Wasser schöpfen,
Und es mühsam schleppen und schleppen,
Und es wieder verschütten ins Meer,
Ein trübes, langweilges Geschäft,
Und nutzlos, wie mein eignes Leben.
Die Wogen murmeln, die Möwen schrillen,
Alte Erinnerungen wehen mich an,
Vergessene Träume, erloschene Bilder,
Qualvoll süße, tauchen hervor!

Es lebt ein Weib im Norden,
Ein schönes Weib, königlich schön.
Die schlanke Zypressengestalt
Umschließt ein lüstern weißes Gewand;
Die dunkle Lockenfülle,
Wie eine selige Nacht,
Von dem flechtengekrönten Haupte sich ergießend,
Ringelt sich träumerisch süß
Um das süße, blasse Antlitz;
Und aus dem süßen, blassen Antlitz,
Groß und gewaltig, strahlt ein Auge,
Wie eine schwarze Sonne.

O, du schwarze Sonne, wie oft,
Entzückend oft, trank ich aus dir
die wilden Begeistrungsflammen,
Und stand und taumelte, feuerberauscht –
Dann schwebte ein taubenmildes Lächeln
Um die hochgeschürzten, stolzen Lippen,
Und die hochgeschürzten, stolzen Lippen
Hauchten Worte, süß wie Mondlicht,
Und zart wie der Duft der Rose –
Und meine Seele erhob sich
Und flog, wie ein Aar, hinauf in den Himmel!

Schweigt, ihr Wogen und Möwen!
Vorüber ist Alles, Glück und Hoffnung,
Hoffnung und Liebe! Ich liege am Boden,
Ein öder, schiffbrüchiger Mann,
Und drücke mein glühendes Antlitz
In den feuchten Sand.

 
 
18 
 August 
 
2016

Schlagwörter

1

 

DICHTUNG Georg Trakl
LESUNG Claudia Steiner
BEREITSTELLUNG Claudia Steiner


 

Vor seinem Löwengarten,
Das Kampfspiel zu erwarten,
Saß König Franz,
Und um ihn die Großen der Krone,
Und rings auf hohem Balkone
Die Damen in schönem Kranz.

Und wie er winkt mit dem Finger,
Auf tut sich der weite Zwinger,
Und hinein mit bedächtigem Schritt
Ein Löwe tritt,
Und sieht sich stumm
Rings um,
Mit langem Gähnen,
Und schüttelt die Mähnen,
Und streckt die Glieder,
Und legt sich nieder.

Und der König winkt wieder,
Da öffnet sich behänd
Ein zweites Tor,
Daraus rennt
Mit wildem Sprunge
Ein Tiger hervor,
Wie der den Löwen erschaut,
Brüllt er laut,
Schlägt mit dem Schweif
Einen furchtbaren Reif,
Und recket die Zunge,
Und im Kreise scheu
Umgeht er den Leu
Grimmig schnurrend;
Drauf streckt er sich murrend
Zur Seite nieder.

Und der König winkt wieder,
Da speit das doppelt geöffnete Haus
Zwei Leoparden auf einmal aus,
Die stürzen mit mutiger Kampfbegier
Auf das Tigertier,
Das packt sie mit seinen grimmigen Tatzen,
Und der Leu mit Gebrüll
Richtet sich auf, da wird’s still,
Und herum im Kreis,
Von Mordsucht heiß,
Lagern die gräulichen Katzen.

Da fällt von des Altans Rand
Ein Handschuh von schöner Hand
Zwischen den Tiger und den Leun
Mitten hinein.

Und zu Ritter Delorges spottenderweis
Wendet sich Fräulein Kunigund:
»Herr Ritter, ist Eure Lieb so heiß,
Wie Ihr mir’s schwört zu jeder Stund,
Ei, so hebt mir den Handschuh auf.«

Und der Ritter in schnellem Lauf
Steigt hinab in den furchtbarn Zwinger
Mit festem Schritte,
Und aus der Ungeheuer Mitte
Nimmt er den Handschuh mit keckem Finger.

Und mit Erstaunen und mit Grauen
Sehen’s die Ritter und Edelfrauen,
Und gelassen bringt er den Handschuh zurück.
Da schallt ihm sein Lob aus jedem Munde,
Aber mit zärtlichem Liebesblick –
Er verheißt ihm sein nahes Glück –
Empfängt ihn Fräulein Kunigunde.
Und er wirft ihr den Handschuh ins Gesicht:
»Den Dank, Dame, begehr ich nicht«,
Und verlässt sie zur selben Stunde.