Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

25 
 November 
 
2016

Schlagwörter

0

 

DICHTUNG Heinrich Heine
LESUNG Klaus Maria Brandauer
BEREITSTELLUNG Sergej Fährlich


 

Aus: Buch der Lieder

 
Hoffnung und Liebe! Alles zertrümmert!
Und ich selber, gleich einer Leiche,
Die grollend ausgeworfen das Meer,
Lieg ich am Strande,
Am öden, kahlen Strande,
Vor mir woget die Wasserwüste,
Hinter mir liegt nur Kummer und Elend,
Und über mich hin ziehen die Wolken,
Die formlos grauen Töchter der Luft,
Die aus dem Meer, in Nebeleimern,
Das Wasser schöpfen,
Und es mühsam schleppen und schleppen,
Und es wieder verschütten ins Meer,
Ein trübes, langweilges Geschäft,
Und nutzlos, wie mein eignes Leben.
Die Wogen murmeln, die Möwen schrillen,
Alte Erinnerungen wehen mich an,
Vergessene Träume, erloschene Bilder,
Qualvoll süße, tauchen hervor!

Es lebt ein Weib im Norden,
Ein schönes Weib, königlich schön.
Die schlanke Zypressengestalt
Umschließt ein lüstern weißes Gewand;
Die dunkle Lockenfülle,
Wie eine selige Nacht,
Von dem flechtengekrönten Haupte sich ergießend,
Ringelt sich träumerisch süß
Um das süße, blasse Antlitz;
Und aus dem süßen, blassen Antlitz,
Groß und gewaltig, strahlt ein Auge,
Wie eine schwarze Sonne.

O, du schwarze Sonne, wie oft,
Entzückend oft, trank ich aus dir
die wilden Begeistrungsflammen,
Und stand und taumelte, feuerberauscht –
Dann schwebte ein taubenmildes Lächeln
Um die hochgeschürzten, stolzen Lippen,
Und die hochgeschürzten, stolzen Lippen
Hauchten Worte, süß wie Mondlicht,
Und zart wie der Duft der Rose –
Und meine Seele erhob sich
Und flog, wie ein Aar, hinauf in den Himmel!

Schweigt, ihr Wogen und Möwen!
Vorüber ist Alles, Glück und Hoffnung,
Hoffnung und Liebe! Ich liege am Boden,
Ein öder, schiffbrüchiger Mann,
Und drücke mein glühendes Antlitz
In den feuchten Sand.

 
 
12 
 November 
 
2016

abgelegt in
Aurel, Mark | Die Stoa | Philosophie
Schlagwörter

0

 


Aus den “Selbstbetrachtungen
des Römischen Kaisers
Mark Aurel

  • Tue nicht, als wenn du tausende von Jahren zu leben hättest, der Tod schwebt über deinem Haupte!
    Solange du noch lebst, solange du noch kannst, sei ein rechtschaffender Mensch!
  • Die Menschen sind füreinander da. Also belehre oder dulde sie!
  • Lebe weit entfernt vom gewöhnlichen Luxus der Großen!
  • Alle Körper nehmen durch das Weltall wie auf einem Strom ihren Lauf und sind wie die Glieder unseres Leibes untereinander so mit jenem Ganzen verbunden und zusammenwirkend.
  • Viele große Denker hat schon der Zeitenlauf verschlungen.
    Dieser Gedanke sei dir beim Anblick jedes Menschen und jedes Gegenstandes gegenwärtig.
    Welch kleines Teilchen der unendlichen und unermesslichen Zeit ist jedem zugemessen und wie plötzlich wird es wieder von der Ewigkeit verschlungen?
    Was für ein winziges Teilchen ist der Mensch im Verhältnis zum Weltganzen?
    Welch kleines Teilchen von der ganzen Weltseele?
    Wie klein ist endlich das Erdenklümpchen, auf dem du umherkriechst?
    Dies alles bedenke und halte dann nichts für groß als das: Zu tun, was deine Natur dich leitet und zu leiden wie die Allnatur es mit sich bringt!
  • Die Urkraft des Weltganzen ist wie ein gewaltiger Strom, der alles mit sich fortreißt.
    Wie unbedeutend sind selbst diejenigen Staatsmänner, die die Geschäfte nach den Regeln der Weltweisheit zu lenken wähnen.
  • Oh, Eitelkeit, was willst du?
    Tue doch, was gerade jetzt die Natur von dir fordert!
    Wirke, solange du kannst und blicke dich nicht um, ob’s auch einer erfahren wird.
  • Die Philosophie lehrt mich Einfachheit und Bescheidenheit.
    Fort mit vornehm tuender Aufgeblasenheit!
  • Sei zufrieden, wenn es auch nur ein klein wenig vorwärts geht und halte auch einen solchen kleinen Fortschritt nicht für unbedeutend!
  • Die Allnatur bildet aus der körperlichen Gesamtmasse wie der Künstler aus Wachs ein Pferd, bald schmilzt sie es wieder ein und verwendet den selben Stoff mit zur Hervorbringung eines Baumes, dann eines Kindes und wieder eines anderen Wesens.
    Jedes der selben hat jedoch nur auf kurze Zeit Bestand.
  • Die Natur steht niemals gegen die Kunst zurück. Vielmehr sind die Künste Nachahmerinnen der Natur und wenn dies so ist, dürfte die vollkommenste und alles andere umfassende Natur der künstlerischen Geschicklichkeit nicht nachstehen.
    Alle Künste aber verfertigen das Unvollkommene und des Vollkommenen willen. So verfährt auch die Allnatur.
  • Alles ist verwandt und miteinander verbunden.
    Alles Dinge, die irgend etwas Gemeinschaftliches haben, streben zur Vereinigung hin:
    Was von der Erde ist, neigt sich zur Erde.
    Das Feuchte und gleichermaßen alles Luftige fließt zusammen, sodass es der Gewalt bedarf, um solche Stoffe auseinander zu halten.
    Das Feuer zwar hat seinen Zug nach oben, doch ist es zugleich geneigt, mit jedem hier befindlichem Feuer sich zu entzünden, sodass alle Stoffe, die nur einigermaßen trocken sind, leicht in Brand geraten.
 
 
10 
 November 
 
2012

Schlagwörter

0

 
Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

Tausend Dank an Lutz Görner für die Einstellung auf YouTube!
Eventuelle Kommentare zum Video-Clip bitte direkt auf YouTube!

 

 

An einem Wintermorgen vor Sonnenaufgang (0:52)
Eduard Mörike (1804 – 1875)

O flaumenleichte Zeit der dunkeln Frühe!
Welch neue Welt bewegest du in mir.
Was ists, da ich auf einmal nun in dir
Von sanfter Wollust meines Daseins glühe?

Einem Kristall gleicht meine Seele nun,
Den noch kein falscher Strahl des Lichts getroffen.
Zu fluten scheint mein Geist, er scheint zu ruhn,
Dem Eindruck naher Wunderkräfte offen,
Die aus dem klaren Gürtel klarer Luft
Zuletzt ein Zauberwort vor meine Sinne ruft.

Und welch Gefühl entzückter Stärke,
Indem mein Sinn sich frisch zur Ferne lenkt!
Vom ersten Mark des heutgen Tags getränkt,
Fühl ich mir Mut zu jedem frommen Werke.
Die Seele fliegt, so weit der Himmel reicht.
Der Genius jauchzt in mir! Doch sage,
Warum wird jetzt der Blick von Wehmut feucht?

Ists ein verloren Glück, was mich erweicht?
Ist es ein Werdendes, was ich im Herzen trage?
Hinweg, mein Geist! Hier gilt kein Stillestehen:
Es ist ein Augenblick, und alles wird verwehn!

 

 
Erinnerung an Klärchen Neuffer (4:12)
Eduard Mörike (1804 – 1875)

Jenes war zum letzten Male,
Dass ich mit dir ging, o Klärchen!
Ja, das war das letzte Mal,
Dass wir uns wie Kinder freuten.
Als wir eines Tages eilig
Durch die breiten, sonnenhellen,
Regnerischen Straßen, unter
Einem Schirm geborgen, liefen.
Beide heimlich eingeschlossen
Wie in einem Feenstübchen.
Endlich einmal Arm in Arme!

Wenig wagten wir zu reden,
Denn das Herz schlug zu gewaltig.
Beide merkten wir es schweigend.
Und ein jedes schob im stillen
Des Gesichtes glühnde Röte
Auf den Widerschein des Schirmes.
Ach, ein Engel warst du da!
Wie du auf den Boden immer
Blicktest, und die blonden Locken
Um den hellen Nacken fielen.
»Jetzt ist wohl ein Regenbogen
Hinter uns am Himmel« sagt ich,
»Und die Wachtel dort am Fenster,
Deucht mir, schlägt noch eins so froh!«
Und im Weitergehen dacht ich
Unserer ersten Jugendspiele.

Dachte an dein heimatliches
Dorf und seine tausend Freuden.
»Weißt du auch noch« frug ich dich,
»Nachbar Büttnermeisters Höfchen,
Wo die großen Kufen lagen,
Drin wir sonntags Nachmittag uns
Immer häuslich niederließen,
Plauderten, Geschichten lasen,
Während drüben in der Kirche
Kinderlehre war – (ich höre
Heute noch den Ton der Orgel
Durch die Stille rings umher) –
Sage, lesen wir nicht einmal
Wieder wie zu jenen Zeiten
– Just nicht in der Kufe, mein ich –
Den beliebten Robinson?«

Und du lächeltest und bogest
Mit mir um die letzte Ecke.
Und ich bat dich um ein Röschen,
Das du an der Brust getragen.
Und mit scheuen Augen schnelle
Reichtest du mirs hin im Gehen.
Zitternd hob ichs an die Lippen.
Küsst es brünstig zwei und dreimal.
Niemand konnte dessen spotten.
Keine Seele hats gesehn.
Und du selber sahst es nicht.

An dem fremden Haus, wohin
Ich dich zu begleiten hatte,
Standen wir nun, weißt, ich drückt
Dir die Hand und –
Dieses war zum letzten Male,
Dass ich mit dir ging, o Klärchen!
Ja, das war das letztemal,
Dass wir uns wie Kinder freuten.

 

 
Septembermorgen (9:00)
Eduard Mörike (1804 – 1875)

Im Nebel ruhet noch die Welt.
Noch träumen Wald und Wiesen.
Bald siehst du, wenn der Schleier fällt,
Den blauen Himmel unverstellt.
Herbstkräftig die gedämpfte Welt
In warmem Golde fließen.