Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

17 
 Juli 
 
2012


 

DICHTUNG Ingeborg Bachmann
LESUNG Ingeborg Bachmann
BEREITSTELLUNG wortlover


 

Woher hast du dein dunkles Haar genommen,
den süßen Namen mit dem Mandelton?
Nicht weil du jung bist, glänzt du so von Morgen –
dein Land ist Morgen, tausend Jahre schon.

Versprich uns Jericho, weck auf den Psalter,
die Jordanquelle gib aus deiner Hand
und lass die Mörder überrascht versteinen
und einen Augenblick dein zweites Land!

An jede Steinbrust rühr und tu das Wunder,
dass auch den Stein die Träne überrinnt.
Und lass dich taufen mit dem heißen Wasser.
Bleib uns nur fremd, bis wir uns fremder sind.

Oft wird ein Schnee in deine Wiege fallen.
Unter den Kufen wird ein Eiston sein.
Doch wenn du tief schläfst, ist die Welt bezwungen.
Das rote Meer zieht seine Wasser ein!

 
 
12 
 Mai 
 
2012


 

Aus “Dir zur Feier”

Wir lächeln leis im Abendwind,
wenn sich die Blumen schwankend küssen
und wenn die Vögel müde sind.
Weil wir nicht mit der Sonne müssen,
die breit auf flachen Abendflüssen
aus unsern Wiesentalen rinnt.

Wir bleiben, und wir sehn die Nacht
aufwachsen, weit und Wunder werden,
sehn Berge, Bilder und Gebärden
viel größer als wir je gedacht.
Sehn, was die Blüten nicht ertrügen,
was Vögel erst nach langen Flügen
erreichen würden, stellt sich nah
und was am Morgen schon erstarrt
in Stille ist und Gegenwart,
wir kannten es, als es geschah…

 

Dichtung Rainer Maria Rilke
Lesung Vera
Bereitstellung RilkeForum

 
 
28 
 April 
 
2012


 
Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

 

 

»Seit fünfzehn Jahren lebt Herr Brentano entfernt von der Welt, eingeschlossen, ja eingemauert in seinen Katholizismus.

Gegen sich selbst und sein poetisches Talent hat er am meisten seine Zerstörungssucht geübt.

Sein Name ist in der letzten Zeit fast verschollen und nur wenn die Rede von
den Volksliedern ist, die er mit seinem verstorbenen Freund Achim von Arnim herausgegeben hat, wird er noch zuweilen genannt«

Heinrich Heine
über Clemens von Brentano

 

 
Wenn der lahme Weber träumt, er webe… (1:15)
Clemens Brentano (1778 – 1842)

Wenn der lahme Weber träumt, er webe,
Und die kranke Lerche träumt, sie schwebe,
Träumt die stumme Nachtigall, sie singe,
Dass ein Herz vom Widerhall zerspringe.

Träumt das blinde Huhn, es zähl die Kerne,
Und wer nur bis drei kann zählen die Sterne,
Träumt die taube Nüchternheit, sie lausche,
Wie die Traube Schüchternheit berausche.

Kommt dann Wahrheit mutternackt gelaufen,
Führt der hellen Töne Glanzgefunkel
Und der grellen Lichter Tanz durchs Dunkel,
Rennt den Traum sie schmerzlich übern Haufen.

Horch! Die Fackel lacht, horch! Schmerz-Schalmeien
Der erwachten Nacht ins Herz dir schreien!
Weh, ohn Opfer gehn die süßen Wunder,
Gehn die armen Herzen einsam unter.

 

 
Abendständchen (2:41)
Clemens Brentano (1778 – 1842)

Hör, es klagt die Flöte wieder.
Und die kühlen Brunnen rauschen.
Golden wehn die Töne nieder.
Stille, stille, lass und lauschen!

Holdes Bitten, mild Verlangen,
Wie es süß zum Herzen spricht!
Durch die Nacht, die mich umfangen,
Blickt zu mir der Töne Licht.

Hörst du, wie die Brunnen rauschen?
Hörst du, wie die Grille zirpt?
Stille, stille, lass uns lauschen.
Selig, wer in Träumen stirbt.

Selig, wen die Wolken wiegen,
Wem der Mond ein Schlaflied singt!
O, wie selig kann der fliegen,
Dem der Traum den Flügel schwingt,

Dass an blauer Himmelsdecke
Sterne er wie Blumen pflückt.
Schlafe, träume, flieg! Ich wecke
Bald dich auf und bin beglückt.

 

 
Verzweiflung an der Liebe in der Liebe (5:55)
Clemens Brentano (1778 – 1842)

In Liebeskampf? In Todeskampf versunken?
Ob Atem noch von ihren Lippen fließt?
Ob ihr der Krampf den kleinen Mund verschließt?
Kein Öl die Lampe? Oder keinen Funken?

Der Jüngling – betend? Tot? In Liebe trunken?
Ob er der Jungfrau höchste Gunst genießt?
Was ists, das der gefallne Becher gießt?
Hat Gift, hat Wein, hat Balsam er getrunken?

Des Jünglings Arme Engelsflügel werden –
Nein, Mantelfalten – Leichentuchs Falten.
Um sie strahlt Heiligenschein – zerraufte Haare.

Strahl Himmelslicht! Flamm Hölle zu der Erde!
Brich der Verzweiflung rasende Gewalten!
Enthüll – verhüll – das Freudenbett – die Bahre!

 

 
Der Spinnerin Nachtlied (7:58)
Clemens Brentano (1778 – 1842)

Es sang vor langen Jahren
Wohl auch die Nachtigall.
Das war ein süßer Schall,
Als wir zusammen waren.

Ich sing und kann nicht weinen
Und lausche so allein
Den Worten klar und rein,
Solang der Mond wird scheinen.

Als wir zusammen waren,
Da sang die Nachtigall.
Nun mahnet mich ihr Schall,
Dass du von mir gefahren.

So oft der Mond mag scheinen,
Denk ich wohl dein allein.
Mein Herz ist klar und rein.
Gott wolle uns vereinen.

Seit du von mir gefahren,
Singt stets die Nachtigall.
Ich denk bei ihrem Schall,
Wie wir zusammen waren.

Gott wolle uns vereinen.
Hier sitz ich so allein.
Der Mond scheint klar und rein.
Ich sing und möchte weinen.