Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

18 
 Juni 
 
2016


 

Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

 

An – (2:42)
Edgar Allan Poe (1799– 1853)
Ich klage nicht, dass mein Geschick
Nur wenig Freudevolles birgt.
Ich klage nicht, dass ein Augenblick
Die Liebe der Mutter verwirkt.

Ich klage nicht, dass mehr an Glück
Der Einsame hat als ich,
Weil ihr ja sorgt um mein Geschick
Auf meines Lebens Wanderung – um mich!

Allein (3:33)
Edgar Allan Poe (1799– 1853)
Von klein an ging ich eigne Bahn.
Ich sah nicht so, wie andre sahn.
Was mich ergriff zu Lust und Pein,
Das musste ungewöhnlich sein.
Annabel Lee (5:26)
Edgar Allan Poe (1799– 1853)
S’ist ein Königreich an des Meeres Strand,
Da war es, da lebte sie –
Lang, lang ist es her – und man hat sie gekannt
Mit dem Namen Annabel Lee.
Voll Schönheit – und mich liebte sie.

In dem Königreich an des Meeres Strand
Ein Kind war ich, war sie,
Doch wir liebten mit Liebe, die wir nur gekannt,
Nur ich und nur Annabel Lee –
Mit Liebe, dass strahlende Engel selbst
Beneideten mich um sie.

Und das war der Grund, dass im vorigen Jahr
Die Luft kalte Winde spie,
Die frostig durchfuhrn ihren Leib und das Haar
Meiner schönen Annabel Lee.
Und Engel kamen durch eisige Luft,
Und ach! Sie entführten mir sie,
Um sie einzuschließen in Grab und Gruft,
Meine schöne Annabel Lee.

Kein Mondenlicht blinkt, das nicht Träume mir bringt
Von der schönen Annabel Lee.
Jedes Sternlein, das steigt, hell die Augen mir zeigt
Von der schönen Annabel Lee.
Und so jede Nacht lieg zur Seite ich sacht
Bei der Geliebten in bräutlicher Pracht:
Am Meer dort bei Annabel Lee.
Im Grab dort bei Annabel Lee.

An meine Mutter (8:10)
Edgar Allan Poe (1799– 1853)
Ich fühle tief, dass in den Himmeln dort
Die Engel, wenn sie Liebe-Worte nennen,
Kein heiliger und sanfter Wort
Als »Mutter« flüstern können.

Bei diesem süßen Namen nannt ich jene,
Die mir einst mehr als eine Mutter war.
Nach der ich mich in allen Frauen sehne:
Virginia, Geliebte immerdar.

 
 
19 
 März 
 
2016


 

Ich habe dich gewählt
Unter allen Sternen.

Und bin wach – eine lauschende Blume
Im summenden Laub.

Unsere Lippen wollen Honig bereiten,
Unsere schimmernden Nächte sind aufgeblüht.

An dem seligen Glanz deines Leibes
Zündet mein Herz seine Himmel an –

Alle meine Träume hängen an deinem Golde,
Ich habe dich gewählt unter allen Sternen.

 

Dichtung Else Lasker-Schüler
Lesung Donata Höffer

 
 
5 
 August 
 
2015


 

Geist ist die Jugend des Alters. [1]Wertheimer, Emanuel: »Aphorismen, Gedanken und Meinungen«.
Mit einem Vorwort von François Coppée, Mitglied der französischen Akademie.
Stuttgart, Berlin, Wien: Deutsche Verlags-Anstalt 1896

Eine dritte Möglichkeit, zu neuer Einheit zu gelangen, liegt im schöpferischen Tätigsein [eines Künstlers] [2]Erich Fromm: Die Kunst des Liebens.
Liebe als Antwort auf das Problem der menschlichen Existenz.
S.29.

 

DICHTUNG Ovid
LESUNG Cornelia Leitz-Kühn
BEREITSTELLUNG Juliane Kosarev


 

Eine Weisheit von Ovid

Nicht immer blühen die Veilchen,
die purpurnen Lilien auch nicht
und ist die Rose verblüht, stark entblättert, der Dorn.

Dir werdern auch bald, mein Schöner, die Haare ergrauen,
Runzeln kommen dir dann, werden durchfurchen den Leib, …

Stärke also den Geist, dass er dauert!
Verbünd’ ihn der Schönheit!
Denn er bleibt dir allein bis du zur Asche einst wirst.

Nimm die Sorge nicht leicht, dich mit schönen Künsten zu bilden!
Wer du auch seist und erwirb höheren Wert als den Leib,
und erwirb höheren Wert als den Leib!

Fußnoten[+]