Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

19 
 September 
 
2009

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Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein


 
Tausend Dank an Lutz Görner für die Einstellung auf YouTube!
Eventuelle Kommentare zum Video-Clip bitte direkt auf YouTube!


 

 


 

 
Rezitierte Gedichte

 
Auf den Mund (0:09)
Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616 – 1679)

Mund! der die Seelen kann durch Lust zusammen hetzen.
Mund! der viel süsser ist als starker Himmelswein.
Mund! der du Alikant des Lebens schenkest ein.
Mund! den ich vorziehn muss der Inden reichen Schätzen.
Mund! dessen Balsam uns kann stärken und verletzen.
Mund! der vergnügter blüht als aller Rosen Schein.
Mund! welchem kein Rubin kann gleich und ähnlich sein.
Mund! den die Gratien mit ihren Quellen netzen;
Mund! ach Korallenmund mein einziges Ergötzen!
Mund! laß mich einen Kuß auf deinen Purpur setzen.

 

 
Die Wollust (2:12)
Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616 – 1679)

Die Wollust bleibet doch der Zucker dieser Zeit,
was kann uns mehr denn sie den Lebenslauf versüßen?
Sie lässet trinkbar Gold in unsre Kehle fließen
und öffnet uns den Schatz beperlter Liebligkeit.
In lauter Rosen kann sie Schnee und Eis verkehren
und durch das ganze Jahr die Frühlingszeit gewähren.

Es schaut uns die Natur als rechte Kinder an,
sie schenkt uns ungespart den Reichtum ihrer Brüste.
Sie öffnet einen Saal voll zimmetreicher Lüste,
wo aus des Menschen Wunsch Erfüllung quellen kann.
Sie legt als Mutter uns die Wollust in die Armen
und lässt durch Lieb und Wein den kalten Geist erwarmen.

Nur das Gesetze wil allzu tyrannisch sein,
es zeiget jederzeit ein widriges Gesichte.
Es macht des Menschen Lust und Freiheit ganz zunichte
und flöst vor süßen Most uns Wermuthtropfen ein.
Es untersteht sich uns die Augen zu verbinden
und alle Liebligkeit aus unser Hand zu winden.

Die Ros’ entblösset nicht vergebens ihre Pracht,
jeßmin wil nicht umsonst uns in die Augen lachen.
Sie wollen unser Lust sich dienst- und zinsbar machen.
Der ist sein eigen Feind, der sich zu Plagen tracht.
Wer vor die Schwanenbrust ihm Dornen will erwählen,
dem muß es an Verstand und reinen Sinnen fehlen.

Was nutzet endlich uns doch Jugend, Kraft und Mut,
wenn man den Kern der Welt nicht reichlich will genüssen
Und dessen Zuckerstrom lässt unbeschifft verschießen.
Die Wollust bleibet doch der Menschen höchstes Gut
Wer hier zu Segel geht, dem wehet das Gelücke
und ist verschwenderisch mit seinem Liebesblicke.

Wer Epikuren [Epicuren] nicht vor seinen Lehrer hält,
der hat den Weltgeschmack und allen Witz verloren.
Es hat ihr die Natur als Stiefsohn ihn erkoren.
Er muß ein Unmensch sein und Scheusal dieser Welt,
der meisten Lehrer Wahn erregte Zwang und Schmerzen.
Was Epikur gelehrt, das kitzelt noch die Herzen.

 

 
Grabschrift eines Lasterhaften (5:15)
Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616 – 1679)

Die Leber ist zu Wien! Das Glied zu Rom geblieben!
Das Herz in einer Schlacht! und das Gehirn an Lieben!
Doch dass der Leib nicht ganz verloren möchte sein
so legte man den Rest hier unter diesen Stein.

 

 
Grabschrift eines Schlafsüchtigen (5:44)
Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616 – 1679)

Hier liegt ein fauler Leib, der aus dem Tage Nacht
und aus dem Leben Tod durch Schlafen hat gemacht.
Aus allzu großer Furcht, dass man ihn noch erwecket
so hat er sich hierher in dieser Gruft verstecket.

 

 
Grabschrift einer lustigen Jungfrau (6:12)
Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616 – 1679)

Die euch für Schmuck und Gold entblößte Leib und Brust
machte der grimme Tod nun zu der Würmer Kost.
Ihr Buhler, lasset hier eure Tränenströme fließen,
So kann noch mancher Wurm zur Speis auch Trank genießen.

 

 
Grabschrift eines Mohren (6:44)
Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616 – 1679)

Kein Europäer soll die schlechte Grabschrifft lesen
und lachen, dass ich schwarz und nackend bin gewesen.
Ich trug das Mutterkleid, du trägst die Haut der Kuh,
du bist mehr Vieh als ich, ich war mehr Mensch als du.

 

 
Gedanken bei Antretung des fünfzigsten Jahres (Auszug) (7:27)
Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616 – 1679)

Mein Auge hat den alten Glanz verloren.
Ich bin nicht mehr, was ich vor diesem war.
Es klinget mir fast stündlich in den Ohren:
vergiss der Welt und denk auf deine Bar.
Und ich empfinde nun aus meines Lebens Jahren
Das fünfzig schwächer sind als fünfundzwanzig waren.

Du hast, mein Gott, mich in des Vaters Lenden
als rohen Zeug genädig angeschaut
und nachmals auch in den verdeckten Wänden
ohn alles Licht durch Allmacht aufgebaut.
Du hast als Steuermann und Leitstern mich geführet,
wo man der Wellen Sturm und Berge Schrecken spüret.

Du hast den Dorn in Rosen mir verkehret
und Kieselstein zu Kristallin gebracht.
Dein Segen hat den Unwert mir verzehret
und Schlackenwerk zu gleichem Erz gemacht.
Du hast als Nulle mich den Zahlen zu gesellet
der Welt Gepränge gilt nach dem es Gott gefället.

Ich bin zuschlecht vor dieses Dank zusagen
Es ist zu schlecht was ich dir bringen kann.
Nimm diesen doch, den du hast jung getragen
als Adlern jetzt auch in dem Alter an.
Ach, stütze Leib und Geist und lass bei grauen Haaren
nicht grüne Sündenlust sich meinem Herzen paaren.

Lass mich mein Amt mit Freudigkeit verwalten,
lass Trauersucht nicht stören meine Ruh.
Lass meinen Leib nicht wie das Eis erkalten
und lege mir noch etwas Kräfte zu.
Hilf, dass mich Siechtum nicht zu Last und Ekel mache,
der Morgen mich bewein, der Abend mich verlache.

Lass mich die Lust des Feindes nicht berücken
Die Wermut oft mit Zucker überlegt.
Verwirr ihn selbst im Garne seiner Tücken,
dass der Betrug nach seinem Meister schlägt.
Lass mich bei guter Sach ohn alles Schrecken stehen
Und unverdienten Hass zu meiner Lust vergehen.

Verjüng in mir des schwachen Geistes Gaben
Der ohne dich ohn alle Regung liegt.
Lass mit der Zeit mich diesen Nachklang haben:
Das Eigennutz mich niemals eingewiegt.
Dass mir des Nächsten Gut hat keinen Neid erwecket.
Sein Ach mich nicht erreicht, sein Weinen nicht beflecket.

Hilf, dass mein Geist zum Himmel sich geselle
und ohne Seid und Schminke heilig sei.
Bist du doch, Herr, der gute reine Quelle;
So mache mich von bösen Flecken frei.
Wie leichtlich lässt sich doch des Menschen Auge blenden!
Du weisst wie schwach es ist, es kommt aus deinen Händen.

Denn führe mich zu der erwählten Menge
und in das Licht durch eine kurze Nacht:
Ich suche nicht ein großes Leichgepränge
aus Eitelkeit und stolzer Pracht erdacht.
Ich will kein ander Wort um meinen Leichstein haben
Als dies: Der Kern ist weg, die Schalen sind vergraben.

 
 
1 
 Januar 
 
2001


 

Wähne Dich, Erdensohn, glücklich auf irdisch wandelndem Kreise.
Himmelan gipfeln die strebenden Bauten schaffender Hände,
thronest erhaben mit heroischem Lächeln und teilest mit waltendem Zepter,
du Schattengebild göttlicher Ideen.

Doch der Windstoß des eisernen Vogels streift mich nicht Wunder
Gewiß, ohn’ Fehl,
des eitlen Menschen kühner Geist
erdreist sich göttermessend meist
von unbändigem Schaffensdrang befleißt
lüstern mit dem Allmächtigen zu rangen.

Zähmt des Blitzes energischen Strahl,
beschifft der Welten wogende Meere
in pechversiegelter Holzesschale,
trotzt mit metallischem Gefieder
der Schwerkraft klammerndem Mieder,
durchmißt in des Weltalls unendlicher Leere,
der Planeten Gestirne kreisender Bahn –
deutend der großen Natur göttlichen Plan.

Mag sich dem Erdenbürger alles neigen,
selbst die Götterscharen treulos mir entfliehn,
auf ewig bleibt mir eine Gottheit eigen,
die nimmer des Menschen Karren werde ziehn …

… gleich Merkur’s steifgeword’ner Nacken,
der in des Halfter’s Banden würgendem Zwange
unter des Kaufmann’s schindendem Joche stöhnt,
den fliehenden Fuß umwunden vom Kettenstrange.

Soll Ares des Samson’s Eselsbacken
dem Kriegstyrannen dienlich weihn,
von Fortuna geadelt zum Siege gekrönt,
und den eitlen Erdentöchtern Venus
mit liebestollem Zauberkuß
rosige Wangen angedeihn.

Soll Neptun doch mit stetem Regenguß
wehren dem dürrewütenden Versiegen
munt’rer Wiesenquellen
und Helios’ Lächeln brüdernd sich gesellen
zu Ceres, die güld’nen Ähren streichend zu wiegen.

Nur Chronos,
die zählende Gottheit der rädernden Zeit
trotzt unbeugsam vom Anbeginn der Ewigkeit
dem fleischgewordenen Koloß.

Er wälzt der schwindenden Jahre Mühlenstein
mit Stieres Lenden und ehernem Gebein.

Beugt sich nun der hochberoßte Allmachtswahn
des Erdenstaub Erschaffenen,
wankt nun der götterbezwungende Eisenkahn
durch Gletscher’s Zahne raffenden
kenternden Geschickes,
die kühne Hoffnung sinken ließ
in ewige Nacht den Stahlkoloß
begraben hieß,
gebändigt durch Poseidon’s Troß
verschlingend in die Pranken schloß.

… Doch mein immerdar ruhender Vaterblick
neiget tränend sich und wacht
über der Völker herrschenden Nacht
mit allwaltendem Erdengeschick.