Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

2 
 Juni 
 
2019

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DICHTUNG Theodor Fontane
LESUNG Rolf Nagel
BEREITSTELLUNG wortlover



Laß ab von diesem Zweifeln, Klauben,
vor dem das Beste selbst zerfällt,
und wahre dir den vollen Glauben
an dieser Welt trotz dieser Welt.

Schau hin auf eines Weibes Züge,
das lächelnd auf den Säugling blickt,
und fühl’s: es ist nicht alles Lüge,
was uns das Leben bringt und schickt.

Und, Herze, willst du ganz genesen,
sei selber wahr, sei selber rein!
Was wir in Welt und Menschen lesen,
ist nur der eigene Widerschein.

Beutst du dem Geiste seine Nahrung,
so laß nicht darben sein Gemüt,
des Lebens höchste Offenbarung
doch immer aus dem Herzen blüht.

Ein Gruß aus frischer Knabenkehle,
ja mehr noch eines Kindes Lall’n
kann leuchtender in deine Seele
wie Weisheit aller Weisen fall’n.

Erst unter Kuß und Spiel und Scherzen
erkennst du ganz, was Leben heißt;
o lerne denken mit dem Herzen,
und lerne fühlen mit dem Geist.

 
 
24 
 Dezember 
 
2012


 

Ein haar, ich streichle es und liebe
das haar und alles auf der welt
ich schwöre das ist keine lüge,
jetzt, unterm sternenzelt.

Ich war so grausam, früher,
immer, erst jetzt drang zu mir vor
ein winzig kleiner schimmer
von der erleuchtung, lebenstor.

Das meer, der wind
und aller wonne wogen,
wenn wir in freud zusammen sind, ist wahr
und nicht erlogen.

 

Dichtung Rainer Werner Fassbinder
Lesung Ulrich Janeztki
Bereitstellung wortlover

 
 
17 
 Juli 
 
2012

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DICHTUNG Ingeborg Bachmann
LESUNG Ingeborg Bachmann
BEREITSTELLUNG wortlover


 

Der alte Mann sagt: mein Engel, wie du willst,
wenn du nur den offenen Abend stillst
und an meinem Arm eine Weile gehst,
den Wahlspruch verlorener Linden verstehst,
die Lampen, gedunsen, betreten im Blau,
letzte Gesichter! Nur deins glänzt genau.
Tot die Bücher, entspannt die Pole der Welt,
was die dunkle Flut noch zusammenhält,
die Spange in deinem Haar scheidet aus.
Ohne Aufenthalt Windzug in meinem Haus.
Mondpfiff – dann auf freier Strecke der Sprung,
die Liebe geschleift von Erinnerung.

Der junge Mann fragt: und wirst du auch immer?
Schwör’s bei den Schatten in meinem Zimmer,
und ist der Lindenspruch dunkel und wahr,
sag ihn her mit Blüten und öffne dein Haar,
und den Puls der Nacht, die verströmen will!
Dann ein Mondsignal, und der Wind steht still.
Gesellig die Lampen im blauen Licht,
bis der Raum mit der vagen Stunde bricht,
unter sanften Bissen dein Mund einkehrt
bei meinem Mund, bis dich Schmerz belehrt:
lebendig das Wort, das die Welt gewinnt,
ausspielt und verliert, und Liebe beginnt.

Das Mädchen schweigt bis die Spindel sich dreht.
Sterntaler fällt. Die Zeit der Rosen vergeht:
ihr Herren, gebt mir das Schwert in die Hand,
und Jeanne d’Arc rettet das Vaterland.
Leute wir bringen das Schiff durch’s Eis,
ich halte den Kurs, den keiner mehr weiß.
Kaufe Anemonen! Drei Wünsche das Bund,
die schließen vorm Hauch eines Wunsches den Mund.
Vom hohen Trapez im Zirkuszelt
spring ich durch den Feuerreifen der Welt,
ich gebe mich in die Hand meines Herrn,
und er schickt mir gnädig den Abendstern.