Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

20 
 August 
 
2016

abgelegt in
Heyse, Paul

 

Waldesnacht, du wunderkühle,
Die ich tausend Male grüß’,
Nach dem lauten Weltgewühle,
O wie ist dein Rauschen süß!
Träumerisch die müden Glieder
Berg’ ich weich ins Moos,
Und mir ist, als würd’ ich wieder
All der irren Qualen los.

Fernes Flötenlied, vertöne,
Das ein weites Sehnen rührt,
Die Gedanken in die schöne,
Ach! missgönnte Ferne führt.
Laß die Waldesnacht mich wiegen,
Stillen jede Pein!
Und ein seliges Genügen
Saug’ ich mit den Düften ein.

In den heimlich engen Kreisen,
Wird dir wohl, du wildes Herz,
Und ein Friede schwebt mit leisen
Flügelschlägen niederwärts.
Singet, holde Vögellieder,
Mich in Schlummer sacht!
Irre Qualen, löst euch wieder;
Wildes Herz, nun gute Nacht!

 

Textdichter Paul Heyse
Lesung Gedichtvortrag

 
 
18 
 Juli 
 
2016


 

DICHTUNG Hermann Hesse
LESUNG Dagmar Manzel
GESANG Knabenchor Hannover
BEREITSTELLUNG LYRIK & MUSIK


 

Ich dachte, mein menschliches Denken und Fühlen wäre erreicht … doch dann kam Hesse mit allgewaltiger Sprache und dieser herzdurchwebenden Musik und mir wurde gewahr, dass ich irrte!

Traum gibt, was Tag verschloß;
Nachts, wenn der Wille erliegt,
Streben befreite Kräfte empor,
Göttlicher Ahnung folgend.
Wald rauscht und Strom, und durch der regen Seele
Nachtblauen Himmel Wetterleuchten weht.

In mir und außer mir
Ist ungeschieden, Welt und ich ist eins.
Wolke weht durch mein Herz,
Wald träumt meinen Traum,
Haus und Birnbaum erzählen mir
Die vergessene Sage gemeinsamer Kindheit.
Ströme hallen und Schluchten schatten in mir,
Mond ist und bleicher Stern mein vertrauter
Gespiele.

Aber die milde Nacht,
Die sich über mich mit sanftem Gewölke neigt,
Hat meiner Mutter Gesicht,
Küßt mich lächelnd in unerschöpflicher Liebe,
Schüttelt träumerisch wie in alter Zeit
Ihr geliebtes Haupt, und ihr Haar
Wallt durch die Welt, und es zittern
Blaß aufzuckend darin die tausend Sterne.

 
 
26 
 Mai 
 
2016

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Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

 

Der Blumen Rache (1:30)
Ferdinand Freiligrath (1810 – 1876)
Auf des Lagers weichem Kissen
Ruht die Jungfrau, schlafbefangen.
Tiefgesenkt die braune Wimper,
Purpur auf den heißen Wangen.

Schimmernd auf dem Binsenstuhle
Steht der Kelch, der reichgeschmückte,
Und im Kelche prangen Blumen,
Duftge, bunte, frischgepflückte.

Brütend hat sich dumpfe Schwüle
Durch das Kämmerlein ergossen.
Denn der Sommer scheucht die Kühle,
Und die Fenster sind verschlossen.

Stille. Ringsum tiefes Schweigen!
Plötzlich, horch! Ein leises Flüstern!
In den Blumen, in den Zweigen
Lispelt es und rauscht es lüstern.

Aus den Blütenkelchen schweben
Geistergleiche Duftgebilde.
Ihre Kleider: zarte Nebel.
Kronen tragen sie und Schilde.

Aus dem Purpurschoß der Rose
Hebt sich eine schlanke Frau.
Ihre Locken flattern lose,
Perlen blitzen drin, wie Tau.

Aus dem Helm des Eisenhutes
Mit dem dunkelgrünen Laube
Tritt ein Ritter kecken Mutes.
Hell erglänzt die schwere Haube.

Auf der Haube nickt die Feder
Silbergrau von einem Reiher.
Aus der Lilie schwankt ein Mädchen.
Dünn, wie Spinnweb, ist ihr Schleier.

Aus dem Kelch des Türkenbundes
Ein Osmane kommt gezogen.
Hell auf seinem grünen Turban
Glüht des Halbmonds goldner Bogen.

Prangend aus der Kaiserkrone
Schreitet kühn ein Zepterträger.
Aus der blauen Iris folgen
Schwertbewaffnet seine Jäger.

Aus den Blättern der Narzisse
Schwebt ein Knab mit lüstern Blicken,
Tritt ans Bett, um heiße Küsse
Auf des Mädchens Mund zu drücken.

Da ums Lager drehn und schwingen
Sich die andern wild im Kreise,
Drehn und schwingen sich und singen
Der Entschlafnen diese Weise:

»Mädchen, Mädchen! Von der Erde
Hast du grausam uns gerissen,
Dass wir in der bunten Scherbe
Schmachten, welken, sterben müssen!

O, wie ruhten wir so selig
An der Erde Mutterbrüsten,
Wo, durch grüne Wipfel brechend,
Sonnenstrahlen heiß uns küssten.

Wo wir Frühlingslüfte fühlten,
Unsre schlanken Stengel zeigend.
Wo wir nachts als Elfen spielten,
Unserm Blätterhaus entsteigend.

Hell umfloss uns Tau und Regen.
Jetzt umfließt uns trübe Lache.
Wir verblühn ! Doch eh wir sterben,
Mädchen! Trifft dich unsre Rache!«

Welch ein Rauschen, welch ein Raunen!
Wie des Mädchens Wangen glühen!
Wie die Blumen es anhauchen!
Wie die Düfte wallend ziehen!

Da begrüßt der Sonne Funkeln
Das Gemach. Die Geister weichen.
Auf des Lagers Kissen schlummert
Kalt die lieblichste der Leichen!

Eine welke Blume selber,
Noch die Wange sanft gerötet,
Ruht sie bei den welken Schwestern.
Blumenduft hat sie getötet.