Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

4 
 August 
 
2015

abgelegt in
Modern | Musik

 

 


Meine Soldaten
Verzeih’ …

Ich bau’ eine Mauer
Du stemmtest den harten Granit der kühlen Verwehrung

und sprenge die Brücken,
und stürztest erhabenen Himmelsbau,

lass’ systematisch jeden Gedanken an Dich unterdrücken,
du stutztest des kühnen Flügelschlags bläulicher Hoffnung,

die Fotos verbrennen
machtest welk der Erinn’rung Blumengekränze

und die Lieder zensieren,
und stumm der Leier süßes Gelaute,

komme was wolle, ich darf die Kontrolle nie wieder verlieren.
wahrtest die Grenzen des Reichs deiner Liebe!

 

Und alles, was sich bewegt, lass’ ich streng überwachen,
Du flautest der Liebe milder Winde, des Herzens Gespielinnen,

verdächtige Elemente sofort unschädlich machen,
gebotest der Leidenschaft Stürme gar Einhalt,

denn es reicht ein Zeichen der Schwäche, ein Zittern der Finger,
und meidend des Wimpernschlags Scheue

Ich brauch’ kühles Blut,
stähltest den Blick du Dir, den einst zartschmelzen,

denn es tut mir nicht gut, mich an Dich zu erinnern.
des Herzens Regentschaft sei Dein nun allein!

denn es tut mir nicht gut, mich an Dich zu erinnern.
des Herzens Regentschaft sei Dein nun allein!

 

Und immer, wenn mein Herz nach Dir ruft
Und nährtest der Sehnsucht Herzensglut Du,

und das Chaos ausbricht in mir drin,
so drohte auch schon der Flammen Verheerung,

schicke ich meine Soldaten los,
und decktest erstickend den Mantel des Schweigens

um den Widerstand niederzuzwingen.
über des Herzens wildlodernder Flamm’.

Immer, wenn mein Herz nach Dir ruft,
Wenn immer der Sehnsucht Glut aufglimmte,

und es brennt in den Straßen in mir drin,
entfachte der Weltbrand in Dir,

befehle ich meiner Armee, alles zu tun,
so schriest zu den Himmeln Du,

um es wieder zum Schweigen zu bringen,
zu wehren des Flammenheers Derbnis

es geknebelt, gebrochen ist und weggesperrt,
zu bänd’gen, zu begrenzen des Feuers wütenden Raub,

und mir endlich gehorcht, mein armes Herz.
gefügig zu machen des Herzens verzehrender Flamm’.

 

Und ein guter Soldat stellt keine Fragen,
Erduldend stemmt auch der Hoplit wehrhaft den Schild,

er läuft Runden im Park bis die Beine versagen.
und rammt ihn in feindische Reihen bis der Schritt ihn ermattet.

Die Stirn in den Staub für ein Ja und ein Amen,
Entschlossen gefurcht ist die Stirn mit ehernem Willen,

ein Soldat vergisst alles,
im Kriegsmarsch blind um sich schlagend

im Falle des Falles auch den eigenen Namen.
und selbst sich dabei gar vergessend.

 

Doch es braucht nur einen Verräter, eine undichte Stelle,
Es bedarf einer Kriegslist nur, für die steinerne Festung,

eine winzigen Stein für eine gewaltige Welle,
ein Einlasstor für ein einströmendes Heer,

ein Funken im Zunder
ein hölzernes Pferd hinter sicheren Mauern

und alles steht wieder in Flammen,
und Feuerbrunst walzt über Troja hinweg,

die ganze Fassade klappt wie ein Kartenhaus in sich zusammen,
reisst nieder den Prunk der Palläste,

klappt wie ein Kartenhaus in sich zusammen.
und aschet den Glanz der Häuser und Straßen.

 

Und immer, wenn mein Herz nach Dir ruft
Und nährtest der Sehnsucht Herzensglut Du,

und das Chaos ausbricht in mir drin,
so drohte auch schon der Flammen Verheerung,

schicke ich meine Soldaten los,
und decktest erstickend den Mantel des Schweigens

um den Widerstand niederzuzwingen.
über des Herzens wildlodernder Flamm’.

 

Immer, wenn mein Herz nach Dir ruft,
Wenn immer der Sehnsucht Glut aufglimmte,

und es brennt in den Straßen in mir drin,
entfachte der Weltbrand in Dir,

befehle ich meiner Armee, alles zu tun,
so schriest zu den Himmeln Du,

um es wieder zum Schweigen zu bringen,
zu wehren des Flammenheers Derbnis.

 

Und immer, wenn mein Herz nach Dir ruft
Und nährtest der Sehnsucht Herzensglut Du,

und das Chaos ausbricht in mir drin,
so drohte auch schon der Flammen Verheerung,

schicke ich meine Soldaten los,
und decktest erstickend den Mantel des Schweigens

um es wieder zum Schweigen zu bringen,
zu wehren des Flammenheers Derbnis.

es geknebelt, gebrochen ist und weggesperrt,
zu bänd’gen, zu begrenzen des Feuers wütenden Raub,

und endlich gehorcht mein armes Herz.
gefügig zu machen des Herzens verzehrender Flamm’.

 

 

Du stemmtest den harten Granit der kühlen Verwehrung
und stürztest erhabenen Himmelsbau,
du stutztest des kühnen Flügelschlags bläulicher Hoffnung,
machtest welk der Erinn’rung Blumengekränze
und stumm der Leier süßes Gelaute,
wahrtest die Grenzen des Reichs deiner Liebe!

Du flautest der Liebe milder Winde, des Herzens Gespielinnen,
gebotest der Leidenschaft Stürme gar Einhalt,
und meidend des Wimpernschlags Scheue
stähltest den Blick du Dir, den einst zartschmelzen,
des Herzens Regentschaft sei Dein nun allein!
des Herzens Regentschaft sei Dein nun allein!

Und nährtest der Sehnsucht Herzensglut Du,
so drohte auch schon der Flammen Verheerung,
und decktest erstickend den Mantel des Schweigens
über des Herzens wildlodernder Flamm‘.

Wenn immer der Sehnsucht Glut aufglimmte,
entfachte der Weltbrand in Dir,
so schriest zu den Himmeln Du,
zu wehren des Flammenheers Derbnis
zu bänd’gen, zu begrenzen des Feuers wütenden Raub,
gefügig zu machen des Herzens verzehrender Flamm‘.

Erduldend stemmt auch der Hoplit wehrhaft den Schild,
und rammt ihn in feindische Reihen bis der Schritt ihn ermattet.
Entschlossen gefurcht ist die Stirn mit ehernem Willen,
im Kriegsmarsch blind um sich schlagend
und selbst sich dabei gar vergessend.

Es bedarf einer Kriegslist nur, für die steinerne Festung,
ein Einlasstor für ein einströmendes Heer,
ein hölzernes Pferd hinter sicheren Mauern
und Feuerbrunst walzt über Troja hinweg,
reisst nieder den Prunk der Palläste,
und aschet den Glanz der Häuser und Straßen.

Und nährtest der Sehnsucht Herzensglut Du,
so drohte auch schon der Flammen Verheerung,
und decktest erstickend den Mantel des Schweigens
über des Herzens wildlodernder Flamm‘.

Wenn immer der Sehnsucht Glut aufglimmte,
entfachte der Weltbrand in Dir,
so schriest zu den Himmeln Du,
zu wehren des Flammenheers Derbnis.

Und nährtest der Sehnsucht Herzensglut Du,
so drohte auch schon der Flammen Verheerung,
und decktest erstickend den Mantel des Schweigens
zu wehren des Flammenheers Derbnis.
zu bänd’gen, zu begrenzen des Feuers wütenden Raub,
gefügig zu machen des Herzens verzehrender Flamm‘.

 

 
 
30 
 Dezember 
 
2012

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Lutz Görner lädt uns zu einer literarischen Reise ein

Tausend Dank an Lutz Görner für die Einstellung auf YouTube!
Eventuelle Kommentare zum Video-Clip bitte direkt auf YouTube!

 

 

An Sibylle (0:47)
Annette von Droste-Hülshoff (1797 – 1848)

Die Abendröte war zerflossen.
Wir standen an des Weihers Rand,
Und ich hielt meine Hand geschlossen
Um deine kleine, kalte Hand. Ich sprach:
»So müssen wir denn wirklich scheiden?
Das Schicksal würfelt mit uns beiden,
Wir sind wie herrenloses Land.

Da wir von keines Herdes Pflicht gebunden,
Meint jeder nur, wir seien grad
Für sein Bedürfnis nur erfunden,
Das hilfsbereite fünfte Rad.
Was nützt es uns, dass frei wir stehen,
Auf keines Mannes Hände sehen?
Sie zeichnen dennoch uns den Pfad!

O hätten wir nur Mut, zu walten
Der Gaben, die das Glück beschert!
Wer dürft uns hindern? Wer uns halten?
Wer neiden uns den eignen Herd?
So leiden wir nach altem Rechte,
Dass, wer sich selber macht zum Knechte,
Nicht ist der goldnen Freiheit wert.

Zieh hin, wie du berufen worden,
Nach der Campagna Glut und Schweiß!
Und ich will ziehn nach meinem Norden,
Zu siechen unter Schnee und Eis.
Nicht würdig sind wir bessrer Tage,
Denn wer nicht kämpfen mag, der trage!
Dulde, wer nicht zu handeln weiß!«

So habe ich an Weihers Rand gesprochen,
Im Zorne halb, und halb in Pein.
Du, ich, wir hätten gern den Bann gebrochen
Aus all dem Sticheln, allen Tyrannein.
Doch als drauf Regenwolken stiegen,
Wühlten erst recht wir mit Vergnügen
Uns in den Ärger ganz hinein.

So lang die Tropfen einzeln fielen,
Wars Naphtaöl für unsern Trutz.
Auch eins von des Geschickes Spielen:
Zum Schaden uns und Keiner Nutz!
Doch als der Himmel Schlossen streute,
Da machten wirs wie andre Leute
Und suchten einer Linde Schutz.

Dort stand ein Häuflein dicht beisammen,
Sich schauernd unterm Blätterdach.
Die Wolke zuckte Schwefelflammen
Und jagte Regenstriemen nach.
Wir hörtens auf den Blättern springen.
Jedoch kein Tropfen konnte dringen
In unser laubiges Gemach.

Ein armes Häuflein Männlein war es,
Das hier dem Wettersturm entrann.
Ein hagrer Jud gebleichten Haares,
Mit seinem Hund ein blinder Mann,
Ein Schuladjunkt im magren Fracke,
Und dann, mit seinem Bettelsacke,
Der kleine, hinkende Johann.

Und alle sahn bei jedem Stoße
Behaglich an dem Stamm hinauf.
Rückten ihr Bündelchen im Schoße
Und drängten lächelnd sich zuhauf.
Denn um so ärger schlug der Regen,
So breiter warf, dem Sturm entgegen,
Die Linde ihre grünen Schirme auf.

Ich fühlte seltsam mich befangen.
Beschämt, mit hocherglühten Wangen,
Hab in die Krone ich geschaut,
Der Linde, die doch keinem Manne eigen,
Verloren in der Heide stand,
Nicht Früchte trug in ihren Zweigen,
Nicht Nahrung für des Herdes Brand.

Zur Freundin sah ich, sie herüber,
Wir dachten Gleiches wohl vielleicht,
Denn auch Sibylles Miene wurde trüber,
Auch ihre lieben Augen feucht.
Doch haben wir kein Wort gesprochen,
Vom Baum ein Zweiglein nur gebrochen
Und still die Hände uns gereicht.

 

 
Schenke am See (6:18)
Annette von Droste-Hülshoff (1797 – 1848)

Ists nicht ein heitrer Ort, mein junger Freund,
Das kleine Haus, das schier vom Hange gleitet?
Wo so possierlich uns der Wirt begrüßt,
So übermächtig sich die Landschaft breitet?
Wo uns ergötzt, im neckischen Kontrast,
Das Wurzelmännchen mit verschmitzter Miene,
Das wie ein Aal sich schlingt und kugelt fast,
Im Angesicht der stolzen Alpenbühne?

Sitz nieder. – Trauben! – Und behend erscheint
Zopfwedelnd der geschäftige Pygmäe.
O sieh nur, wie manch reife Beere weint
Schon blutge Tränen um des Endes Nähe –
Frisch, greif in die kristallne Schale, frisch!
Die saftigen Rubine glühn und locken!
Schon fühl ich an des Herbstes reichem Tisch,
Den kargen Winter nahn auf leisen Socken –

Das sind dir Hieroglyphen, junges Blut.
Und ich, ich will an deiner lieben Seite
Froh schlürfen meiner Neige letztes Gut –
Schau her, schau drüben in die Näh und Weite,
Wie uns zur Seite sich der Felsen bäumt,
Als könnten wir mit Händen ihn ergreifen!
Wie uns zu Füßen das Gewässer schäumt,
Als könnten wir im Schwunge drüber streifen!

Trink aus! – die Alpen liegen stundenweit.
Nur nah die Meersburg, heimisches Gemäuer.
Wo Träume lagern langverschollner Zeit,
Seltsame Mär und zornge Abenteuer!
Wohl ziemt es mir, in Räumen schwer und grau,
Zu grübeln über dunkler Taten Reste,
Doch du, Levin, schaust aus dem grimmen Bau,
Wie eine Schwalbe aus dem Mauerneste.

Sieh drunten auf dem See im Abendrot
Die Taucherente hin und wieder schlüpfend!
Nun sinkt sie nieder wie des Netzes Lot,
Nun wieder aufwärts mit den Wellen hüpfend!
Seltsames Spiel! Recht wie ein Lebenslauf!
Wir beide schaun gespannten Blickes nieder.
Du flüsterst lächelnd: immer kommt sie auf.
Und ich, ich denke, immer sinkt sie wieder.

Noch einen Blick dem segensreichen Land,
Den Hügeln, Auen, üppgem Wellenrauschen,
Und heimwärts dann, wo von der Zinne Rand
Freundliche Augen unserm Pfade lauschen.
Herr Wirt! – Da haspelt in behendem Lauf
Das Männlein Abschied wedelnd uns entgegen:
»Guts Nächtle! Stehns nit zu zeitig auf!«
Das ist der lustgen Schwaben Abendsegen.

 
 
8 
 Oktober 
 
2012

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DICHTUNG Paul Celan
LESUNG Paul Celan
BEREITSTELLUNG wortlover


 

Engführung

*

VERBRACHT ins
Gelände
mit der untrüglichen Spur:

Gras, auseinandergeschrieben. Die Steine, weiß,
mit den Schatten der Halme:
Lies nicht mehr — schau!
Schau nicht mehr — geh!

Geh, deine Stunde
hat keine Schwestern, du bist —
bist zuhause. Ein Rad, langsam,
rollt aus sich selber, die Speichen
klettern,
klettern auf schwärzlichem Feld, die Nacht
braucht keine Sterne, nirgends
fragt es nach dir.

* Nirgends fragt es nach dir —

Der Ort, wo sie lagen, er hat
einen Namen — er hat
keinen. Sie lagen nicht dort. Etwas
lag zwischen ihnen. Sie
sahn nicht hindurch.

Sahn nicht, nein,
redeten von
Worten. Keines
erwachte, der
Schlaf
kam über sie.

* Kam, kam. Nirgends fragt es —

Ich bins, ich,
ich lag zwischen euch, ich war
offen, war
hörbar, ich tickte euch zu, euer Atem
gehorchte, ich
bin es noch immer, ihr
schlaft ja.

* Bin es noch immer —

Jahre.
Jahre, Jahre, ein Finger
tastet hinab und hinan, tastet
umher:
Nahtstellen, fühlbar, hier
klafft es weit auseinander, hier
wuchs es wieder zusammen – wer
deckte es zu?

* Deckte es zu — wer?

Kam, kam.
Kam ein Wort, kam,
kam durch die Nacht,
wollt leuchten, wollt leuchten.

Asche.
Asche, Asche.
Nacht.
Nacht-und-Nacht. — Zum
Aug geh, zum feuchten.

* Zum Aug geh, zum feuchten —

Orkane.
Orkane, von je,
Partikelgestöber, das andre,
du
weißts ja, wir
lasens im Buche, war
Meinung.

War, war
Meinung. Wie
faßten wir uns
an — an mit
diesen
Händen?

Es stand auch geschrieben, daß.
Wo? Wir
taten ein Schweigen darüber,
giftgestillt, groß,
ein
grünes
Schweigen, ein Kelchblatt, es
hing ein Gedanke an Pflanzliches dran —

grün, ja
hing, ja
unter hämischem
Himmel.

An, ja,
Pflanzliches.

Ja.
Orkane, Par-
tikelgestöber, es blieb
Zeit, blieb,
es beim Stein zu versuchen — er
war gastlich, er
fiel nicht ins Wort. Wie
gut wir es hatten:

Körnig,
körnig und faserig. Stengelig,
dicht;
traubig und strahlig; nierig,
plattig und
klumpig; locker, ver-
ästelt –: er, es
fiel nicht ins Wort, es
sprach,
sprach gerne zu trockenen Augen, eh es sie schloß.

Sprach, sprach.
War, war.

Wir
ließen nicht locker, standen
inmitten, ein
Porenbau, und
es kam.

Kam auf uns zu, kam
hindurch, flickte
unsichtbar, flickte
an der letzten Membran,
und
die Welt, ein Tausendkristall,
schoß an, schoß an.

* Schoß an, schoß an. Dann —

Nächte, entmischt. Kreise,
grün oder blau, rote
Quadrate: die
Welt setzt ihr Innerstes ein
im Spiel mit den neuen
Stunden. — Kreise,

rot oder schwarz, helle
Quadrate, kein
Flugschatten,
kein
Meßtisch, keine
Rauchseele steigt und spielt mit.

* Steigt und spielt mit –

In der Eulenflucht, beim
versteinerten Aussatz,
bei
unsern geflohenen Händen, in
der jüngsten Verwerfung,
überm
Kugelfang an
der verschütteten Mauer:

sichtbar, aufs
neue: die
Rillen, die

Chöre, damals, die
Psalmen. Ho, ho-
sianna.

Also
stehen noch Tempel. Ein
Stern
hat wohl noch Licht.
Nichts,
nichts ist verloren.

Ho-
sianna.

In der Eulenflucht, hier,
die Gespräche, taggrau,
der Grundwasserspuren.

* (– — taggrau, der Grundwasserspuren —

Verbracht
ins Gelände
mit
der untrüglichen
Spur:

Gras.
Gras,
auseinandergeschrieben.)

 

Textdichter Paul Celan
Lesung Paul Celan
Bereitstellung wortlover