Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

14 
 April 
 
2012

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An die Parzen (0:13)
Friedrich Hölderlin (1770 – 1843)

Nur einen Sommer gönnt, ihr Gewaltigen,
Und einen Herbst zu reifem Gesange mir!
Dass williger mein Herz, vom süßen
Spiele gesättiget, dann mir sterbe.

Die Seele, der im Leben ihr göttlich Recht
Nicht ward, sie ruht auch drunten im Orkus nicht.
Doch ist mir einst das Heilige, das am
Herzen mir liegt, das Gedicht, gelungen,

Willkommen dann, o Stille der Schattenwelt!
Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenspiel
Mich nicht hinabgeleitet. Einmal
Lebt ich wie Götter, und mehr bedarfs nicht.

 

 
Die Eichbäume (1:47)
Friedrich Hölderlin (1770 – 1843)

Aus den Gärten komm ich zu euch, ihr Söhne des Berges!
In den Gärten, da lebt die Natur geduldig und häuslich,
Pflegend und wiedergepflegt, mit den fleißigen Menschen zusammen.
Aber ihr, ihr Herrlichen! steht, wie ein Volk von Titanen
In der zahmeren Welt und gehört nur euch und dem Himmel,
Der euch nährt und erzog, und der Erde, die euch geboren.
Keiner von euch ist noch in die Schule der Menschen gegangen.
Und ihr drängt euch fröhlich und frei aus der kräftigen Wurzel
Untereinander herauf und ergreift, wie der Adler die Beute,
Mit gewaltigem Arme den Raum, und gegen die Wolken
Ist euch heiter und groß die sonnige Krone gerichtet.
Eine Welt ist jeder von euch, wie die Sterne des Himmels
Lebt ihr, jeder ein Gott, in freiem Bunde zusammen.
Könnt ich die Knechtschaft erdulden, ich beneidete nimmer
Diesen Wald und schmiegte mich gern ans gesellige Leben.
Fesselte nur nicht mehr ans gesellige Leben das Herz mich,
Das von Liebe nicht lässt, wie gern würd ich unter euch wohnen!

 

 
Diotima (4:33)
Friedrich Hölderlin (1770 – 1843)

Lange tot und tief verschlossen,
Grüßt mein Herz die schöne Welt.
Seine Zweige blühn und sprossen,
Neu von Lebenskraft geschwellt.
O! ich kehre noch ins Leben!
Wie heraus in Luft und Licht
Meiner Blumen selig Streben
Aus der dürren Hülse bricht.

Wie so anders ists geworden!
Alles, was ich hasst und mied,
Stimmt in freundlichen Akkorden
Nun in meines Lebens Lied.
Und mit jedem Stundenschlage
Werd ich wunderbar gemahnt
An der Kindheit goldne Tage,
Seit ich diese Eine fand.

Diotima! Selig Wesen!
Herrliche, durch die mein Geist,
Von des Lebens Angst genesen,
Götterjugend sich verheißt!
Unser Himmel wird bestehen.
Unergründlich sich verwandt,
Hat sich, eh wir uns gesehen,
Unser Innerstes gekannt.

Da wo keine Macht auf Erden,
Keines Gottes Wink uns trennt,
Wo wir Eins und Alles werden,
Da ist unser Element.
Wo wir Not und Zeit vergessen
Und den kärglichen Gewinn
Nimmer mit der Spanne messen,
Da, da sag ich, dass ich bin.

 

 
Hyperions Schicksalslied (6:37)
Friedrich Hölderlin (1770 – 1843)

Ihr wandelt droben im Licht
Auf weichem Boden, selige Genien!
Glänzende Götterlüfte
Rühren euch leicht,
Wie die Finger der Künstlerin
Heilige Saiten.

Schicksallos, wie der schlafende
Säugling, atmen die Himmlischen.
Keusch bewahrt
In bescheidener Knospe,
Blühet ewig
Ihnen der Geist,
Und die seligen Augen
Blicken in stiller
Ewiger Klarheit.

Doch uns ist gegeben,
Auf keiner Stätte zu ruhn,
Es schwinden, es fallen
Die leidenden Menschen
Blindlings von einer
Stunde zur andern,
Wie Wasser von Klippe
Zu Klippe geworfen,
Jahrlang ins Ungewisse hinab.

 

 
Hälfte des Lebens (8:45)
Friedrich Hölderlin (1770 – 1843)

Mit gelben Birnen hänget
Und voll mit wilden Rosen
Das Land in den See.
Ihr holden Schwäne!
Und trunken von Küssen
Tunkt ihr das Haupt
Ins heilignüchterne Wasser.

Weh mir, wo nehm ich, wenn
Es Winter ist, die Blumen, und wo
Den Sonnenschein
Und Schatten der Erde?
Die Mauern stehn
Sprachlos und kalt, im Winde
Klirren die Fahnen.

 
 
5 
 April 
 
2012

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Resignation (0:08)
Friedrich von Schiller (1759 – 1805)

Auch ich war in Arkadien geboren,
Auch mir hat die Natur
An meiner Wiege Freude zugeschworen,
Auch ich war in Arkadien geboren,
Doch Tränen gab der kurze Lenz mir nur.
[…]

 

 
Ode an die Freude (2:00)
Friedrich von Schiller (1759 – 1805)

Freude! Schöner Götterfunken!
Tochter aus Elysium!
Wir betreten feuertrunken,
Himmlische, dein Heiligtum!
Deine Zauber binden wieder,
Was die Mode streng geteilt.
Alle Menschen werden Brüder,
Wo dein sanfter Flügel weilt.
Seid umschlungen, Millionen!
Diesen Kuss der ganzen Welt!
Brüder – überm Sternenzelt
Muss ein lieber Vater wohnen.
[…]

 

 
Die Teilung der Erde (2:53)
Friedrich von Schiller (1759 – 1805)

»Nehmt hin die Welt!« rief Zeus von seinen Höhen
Den Menschen zu, »nehmt, sie soll euer sein.
Euch schenk ich sie zum Erb und ewgen Lehen,
Doch teilt euch brüderlich darein.«

Da eilt, was Hände hat, sich einzurichten.
Es regte sich geschäftig jung und alt.
Der Ackermann griff nach des Feldes Früchten,
Der Junker pirschte durch den Wald.

Der Kaufmann nimmt, was seine Speicher fassen,
Der Abt wählt sich den edlen Firnewein,
Der König sperrt die Brücken und die Straßen,
Und sprach: »Der Zehnte ist mein.

« Ganz spät, nachdem die Teilung längst geschehen,
Naht der Poet, er kam aus weiter Fern.
Ach! Da war überall nichts mehr zu sehen,
Und alles hatte seinen Herrn!

»Weh mir! So soll ich denn allein von allen
Vergessen sein, ich, dein getreuster Sohn?«
So ließ er laut der Klage Ruf erschallen,
Und warf sich hin vor Jovis Thron.

»Wenn du im Land der Träume dich verweilet«
Versetzt der Gott »so hadre nicht mit mir.
Wo warst du denn, als man die Welt geteilet?«
»Ich war« sprach der Poet »bei dir.

Mein Auge hing an deinem Angesichte,
An deines Himmels Harmonie mein Ohr,
Verzeih dem Geiste, der, von deinem Lichte
Berauscht, das Irdische verlor!«

»Was tun? « spricht Zeus, »die Welt ist weggegeben,
Der Herbst, die Jagd, der Markt ist nicht mehr mein.
Doch willst du hier im Himmel mit mir leben,
So komme nur, er soll dir offen sein.«

 

 
Hoffnung (7:32)
Friedrich von Schiller (1759 – 1805)

Es reden und träumen die Menschen viel
Von besseren künftigen Tagen.
Nach einem glücklichen, goldenen Ziel
Sieht man sie rennen und jagen.
Die Welt wird alt und wird wieder jung,
Doch der Mensch hofft immer Verbesserung.

Die Hoffnung führt ihn ins Leben ein,
Sie umflattert den fröhlichen Knaben,
Den Jüngling locket ihr Zauberschein,
Sie wird mit dem Greis nicht begraben.
Denn beschließt er am Ende den müden Lauf,
Noch am Grabe pflanzt er – die Hoffnung auf.

 

 
Resignation (8:51)
Friedrich von Schiller (1759 – 1805)

[…]
Ich stehe schon auf deiner Schauerbrücke,
Ehrwürdge Geistermutter – Ewigkeit.
Empfange meinen Vollmachtbrief zum Glücke,
Ich bring ihn unerbrochen dir zurücke.
Mein Lauf ist aus. Ich weiß von keiner Seligkeit.
[…]

 
 
31 
 März 
 
2012

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Der Mensch (0:09)
Christian Matthias Claudius (1740 – 1815)

Empfangen und genähret
Vom Weibe wunderbar,
Kommt er und sieht und höret
Und nimmt des Trugs nicht wahr.
Gelüstet und begehret
Und bringt sein Tränlein dar.
Verachtet und verehret,
Hat Freude und Gefahr,
Glaubt, zweifelt, wähnt und lehret,
Hält nichts und alles wahr.
Erbauet und zerstöret
Und quält sich immerdar.
Schläft, wachet, wächst und zehret,
Trägt braun und graues Haar.
Und alles dieses währet,
Wenns hoch kommt, achtzig Jahr.
Dann legt er sich zu seinen Vätern nieder,
Und er kommt nimmer wieder.

 

 
Epigramm von Lessing über Klopstock (0:09)
Christian Matthias Claudius (1740 – 1815)

Wer wird nicht einen Klopstock loben?
Doch wird ihn jeder lesen? – Nein.
Wir möchten weniger erhoben
Und fleißiger gelesen sein.

 

 
Abendlied (4:24)
Christian Matthias Claudius (1740 – 1815)

Der Mond ist aufgegangen.
Die goldnen Sternlein prangen
Am Himmel hell und klar.
Der Wald steht schwarz und schweiget,
Und aus den Wiesen steiget
Der weiße Nebel wunderbar.

Wie ist die Welt so stille
Und in der Dämmrung Hülle
So traulich und so hold.
Wie eine stille Kammer,
Wo ihr des Tages Jammer
Verschlafen und vergessen sollt.

Seht ihr den Mond dort stehen? –
Er ist nur halb zu sehen
Und ist doch rund und schön!
So sind wohl manche Sachen,
Die wir getrost belachen,
Weil unsre Augen sie nicht sehn.

Wir stolzen Menschenkinder
Sind doch nur arme Sünder
Und wissen gar nicht viel.
Wir spinnen Luftgespinste
Und treiben viele Künste
Und kommen weiter von dem Ziel.

So legt euch denn, ihr Brüder,
In Gottes Namen nieder.
Kalt ist der Abendhauch.
Verschon uns, Gott, mit Strafen,
Und lass uns ruhig schlafen
Und unsern kranken Nachbar auch!

 

 
Täglich zu singen (6:11)
Christian Matthias Claudius (1740 – 1815)

Ich danke Gott und freue mich
Wies Kind am Weihnachttage,
Dass ich bin, bin! Und dass ich dich,
Schön menschlich Antlitz habe.

Dass ich die Sonne, Berg und Meer
Und Laub und Gras kann sehen,
Und abends unterm Sternenheer
Und lieben Monde gehen.

Und dass mir dann zumute ist,
Wie wenn wir Kinder kamen,
Und sahen, was der heilge Christ
Bescheret hatte, Amen!

Ich danke Gott mit Saitenspiel,
Dass ich kein König worden.
Ich wär geschmeichelt worden viel
und wär vielleicht verdorben.

Auch bet ich ihn von Herzen an,
Dass ich auf dieser Erde
Nicht bin ein großer, reicher Mann,
Und auch wohl keiner werde.

Denn Ehr und Reichtum treibt und bläht,
Hat mancherlei Gefahren.
Und vielen hats das Herz verdreht,
Die weiland wacker waren.

Und all das Geld und all das Gut
Gewährt zwar viele Sachen.
Gesundheit, Schlaf und guten Mut
Kann’s aber doch nicht machen.

Und die sind doch bei Ja und Nein
Ein rechter Lohn und Segen!
Drum will ich mich nicht groß kastei’n
Des vielen Geldes wegen.

Gott gebe mir nur jeden Tag,
So viel ich brauch zum Leben.
Er gibts dem Sperling auf dem Dach.
Wie sollt ers mir nicht geben!

 

 
Die Sternseherin Lise (8:10)
Christian Matthias Claudius (1740 – 1815)

Ich sehe oft um Mitternacht,
Wenn ich mein Werk getan,
Und niemand mehr im Hause wacht
Die Stern am Himmel an.

Sie gehn da, hin und her zerstreut,
Als Lämmer auf der Flur,
In Rudeln auch, und aufgereiht
Wie Perlen an der Schnur!

Und funkeln alle weit und breit
Und funkeln rein und schön.
Ich seh die große Herrlichkeit,
Und kann mich satt nicht sehn.

Dann saget unterm Himmelszelt
Mein Herz mir in der Brust:
Es gibt was bessers in der Welt
Als all ihr Schmerz und Lust.

Ich werf mich auf mein Lager hin,
Und liege lange wach.
Und suche es in meinem Sinn.
Und sehne mich danach.