Lyrik ~ Klinge
    Versuch einer Dichtung            

29 
 Januar 
 
2016

abgelegt in
Gedankenschau

 

Unter Bildungsniveau verstehe ich nicht die sprachliche Kompetenz der Muttersprache, noch die kognitive Durchdringung mathematischer Zusammenhänge, noch die Wissensanhäufung in Geistes- oder Kulturwissenschaften.
Bildung (engl. “education”) meint Er-Ziehung, das Hin-Ziehen zu Normen und Werten einer menschlichen Gemeinschaft bis hin zu deren Verinnerlichung (Internalisierung).

Erziehungsberechtigte als auch gesetzliche Vorgaben erfüllen in Anlehnung an Erich Fromm nur die temporäre Funktion, Verhaltensweisen wach zu halten und durch ständige Präsenz (Außenwirkung) strukturgebend eigenes Verhalten dahin langfristig zu “installieren”, das die inneren Moralvorstellungen zu einem Konsens mit dem äußeren moralischen Kodex führt.

Werden also gewisse Gesellschaftsregeln menschlichen Umgangs eingehalten, einem Normenkatalog gefolgt, so kann man auch bei einem Menschen mit einer geistigen Behinderung von einem hohen Bildungsniveau durchaus sprechen, wobei ein Akademiker mit sozial unverträglichem Verhalten in diesem Zusammenhang ein niedriges Bildungsniveau aufweist.

 
 
30 
 Dezember 
 
2012

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Blumentod (0:33)
Annette von Droste-Hülshoff (1797 – 1848)

Wie sind meine Finger so grün?
Blumen hab ich zerrissen.
Sie wollten für mich blühn
Und haben sterben müssen.

Wie neigten sie um mein Angesicht,
Wie fromme schüchterne Lieder.
Ich war in Gedanken, ich achtets nicht
Und bog sie zu mir nieder.

Zerriss die lieben Glieder
In sorgenlosem Mut.
Da floss ihr grünes Blut
Um meine Finger nieder.

Sie weinten nicht, sie klagten nicht,
Sie starben ohne Laut.
Nur dunkel ward ihr Angesicht,
Wie wenn der Himmel graut.

Sie konnten mirs nicht ersparen,
Sonst hätten sies wohl getan.
Wohin bin ich gefahren
In trüben Sinnens Wahn?

O töricht Kinderspiel!
O schuldlos Blutvergießen!
Es gleicht dem Leben viel.
Lasst mich die Augen schließen.

Denn was geschehn ist, ist geschehn,
Und wer kann für die Zukunft stehn?

 

 
Am ersten Sonntage nach Heilige Drei Könige (2:44)
Annette von Droste-Hülshoff (1797 – 1848)

Evang.: Jesus lehrt im Tempel

Oh, sieh, ich habe dich gesucht mit Schmerzen,
Mein Herr und Gott, wo werde ich dich finden?
Ach, nicht im eigenen, ausgestorbnen Herzen,
Wo längst dein Ebenbild erlosch in Sünden.
Da tönt aus allen Winkeln, ruf ich dich,
Mein eignes Echo wie ein Spott um mich.

Wer einmal hat dein göttlich Bild verloren,
Was ihm doch eigen war, wie seine Seele,
Mit dem hat sich die ganze Welt verschworen,
Daß sie dein heilig Antlitz ihm verhehle;
Und wo der Fromme dich auf Tabor schaut,
Da hat er sich im Tal sein Haus gebaut.

So muß ich denn zu meinem Graun erfahren
Das Rätsel, das ich nimmer konnte lösen,
Als mir in meinen hellen Unschuldsjahren
Ganz unbegreiflich schien, was da vom Bösen,
Daß eine Seele, wo dein Bild geglüht,
Dich gar nicht mehr erkennt, wenn sie dich sieht.

Rings um mich klingt der klare Vogelreigen:
»Hör doch, wir Vöglein singen seinem Ruhme!«
Und will ich mich zu einer Blüte neigen:
»Sieh doch, sein mildes Auge schaut aus jeder Blume.«
Ich hab dich drum in der Natur gesucht.
Doch weltlich Wissen war die eitle Frucht!
Oh bittre Schmach,
Dies Wissen musste meinen Glauben töten.

 

 
Im Grase (4:50)
Annette von Droste-Hülshoff (1797 – 1848)

Süße Ruh, süßer Taumel im Gras.
Von des Krautes Arom umhaucht.
Tiefe Flut, tief, tief trunkne Flut.
Wenn die Wolk am Azure verraucht.
Wenn aufs müde schwimmende Haupt
Süßes Lachen gaukelt herab.
Liebe Stimme säuselt und träuft,
Wie die Lindenblüt auf ein Grab.

Wenn im Busen die Toten dann,
Jede Leiche sich streckt und regt,
Leise, leise Odem einzieht,
Die geschlossne Wimper bewegt.
Tote Lieb, tote Lust, tote Zeit.
Wenn all die Schätze, im Schutt verwühlt,
Sich berühren mit schüchternem Klang,
Gleich den Glöckchen, vom Winde umspielt.

Stunden, flüchtiger ihr als der Kuss
Eines Strahls auf den trauernden See.
Als des ziehenden Vogels Lied,
Das mir niederperlt aus der Höh.
Als des schillernden Käfers Blitz,
Wenn den Sonnenpfad er durcheilt.
Als der flüchtige Druck einer Hand,
Die zum letzten Male verweilt.

Dennoch, Himmel, immer mir nur
Dieses Eine nur: für das Lied
Jedes freien Vogels im Blau
Eine Seele, die mit ihm zieht.
Für jeden kärglichen Strahl
Meinen farbig schillernden Saum.
Jeder warmen Hand meinen Druck
Und für jedes Glück meinen Traum.

 

 
Die Schwermütige (7:47)
Annette von Droste-Hülshoff (1797 – 1848)

Wenn in dem dunkeln Haine
Die sanfte Nachtigall,
Während ich traurig weine,
Mir bringt der Schwermut Schall,
So ists als bräche mir das Herz
Vor lauter wehmutsvollem Schmerz.

Wenn auf der hellen Heide
Die frohe Lerche steigt,
– Ach, diese Augenweide
Macht auch mein Herz nicht leicht –
Dann denk ich ans entflohne Glück.
Es wich wie sie so schnell zurück.

Geh ich zur kleinen Quelle
Und folg ihr überall,
So sprech ich: »Murmle helle,
Du Bach klar wie Kristall.
Ich hol dich schnelles Ding nicht ein.«
So wirds auch mit dem Glücke sein.

So macht mir alles Kummer.
Das Beste wird zur Qual.
Und selbst im tiefsten Schlummer
Verfolgts mich überall.
O böse Mördrin meiner Ruh!
Melancholie, wann weichest du?

 
 
3 
 November 
 
2012

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Schläft ein Lied in allen Dingen (0:08)
Joseph von Eichendorff (1788 – 1857)

Schläft ein Lied in allen Dingen,
Die da träumen fort und fort.
Und die Welt hebt an zu singen,
Triffst du nur das Zauberwort.

 

 
Klage (0:46)
Joseph von Eichendorff (1788 – 1857)

Ich hab manch Lied geschrieben.
Die Seele war voll Lust.
Von treuem Tun und Lieben,
Das Beste, was ich wusst.

Was mir das Herz bewogen,
Das sagte treu mein Mund.
Und das ist nicht erlogen,
Was kommt aus Herzensgrund.

[…]

 

 
Die blaue Blume (2:17)
Joseph von Eichendorff (1788 – 1857)

Ich suche die blaue Blume.
Ich suche und finde sie nie.
Mir träumt, dass in der Blume
Mein gutes Glück mir blüh.

Ich wandre mit meiner Harfe
Durch Länder, Städt und Au’n,
Ob nirgends in der Runde
Die blaue Blume zu schaun.

Ich wandre schon seit langem.
Hab lang gehofft, vertraut.
Doch ach, noch nirgends hab ich
Die blaue Blum geschaut.

 

 
Auf einer Burg (3:04)
Joseph von Eichendorff (1788 – 1857)

Eingeschlafen auf der Lauer
Oben ist der alte Ritter.
Drüber gehen Regenschauer,
Und der Wald rauscht durch das Gitter.

Eingewachsen Bart und Haare,
Und versteinert Brust und Krause,
Sitzt er viele hundert Jahre
Oben in der stillen Klause.

Draußen ist es still und friedlich.
Alle sind ins Tal gezogen.
Waldesvögel einsam singen
In den leeren Fensterbogen.

Eine Hochzeit fährt da unten
Auf dem Rhein im Sonnenscheine.
Musikanten spielen munter.
Und die schöne Braut, die weinet.

 

 
Abschied (4:17)
Joseph von Eichendorff (1788 – 1857)

O Täler weit, o Höhen,
O schöner, grüner Wald,
Du meiner Lust und Wehen
Andächtger Aufenthalt!
Da draußen, stets betrogen,
Saust die geschäftge Welt.
Schlag noch einmal die Bogen
Um mich, du grünes Zelt!

Wenn es beginnt zu tagen,
Die Erde dampft und blinkt,
Die Vögel lustig schlagen,
Dass dir dein Herz erklingt:
Da mag vergehn, verwehen
Das trübe Erdenleid,
Da sollst du auferstehen
In junger Herrlichkeit!

Da steht im Wald geschrieben
Ein stilles, ernstes Wort
Von rechtem Tun und Lieben,
Und was des Menschen Hort.
Ich habe treu gelesen
Die Worte schlicht und wahr,
Und durch mein ganzes Wesen
Wards unaussprechlich klar.

Bald werd ich dich verlassen,
Fremd in der Fremde gehn.
Auf buntbewegten Gassen
Des Lebens Schauspiel sehn.
Und mitten in dem Leben
Wird deines Ernsts Gewalt
Mich Einsamen erheben.
So wird mein Herz nicht alt.

 

 
Frische Fahrt (6:00)
Joseph von Eichendorff (1788 – 1857)

Laue Luft kommt blau geflossen.
Frühling, Frühling soll es sein!
Waldwärts Hörnerklang geschossen,
Mutger Augen lichter Schein.
Und das Wirren bunt und bunter
Wird ein magisch wilder Fluss.
In die schöne Welt hinunter
Lockt mich dieses Stromes Gruß.

Denn ich mag mich nicht bewahren!
Weit von euch treibt mich der Wind.
Auf dem Strome will ich fahren,
Von dem Glanze selig blind!
Tausend Stimmen lockend schlagen.
Hoch Aurora flammend weht.
Fahre zu! Ich mag nicht fragen,
Wo die Fahrt zu Ende geht!

 

 
Zwielicht (7:06)
Joseph von Eichendorff (1788 – 1857)

Dämmrung will die Flügel spreiten.
Schaurig rühren sich die Bäume.
Wolken ziehn wie schwere Träume –
Was will dieses Graun bedeuten?
Hast du einen Freund hienieden,
Trau ihm nicht zu dieser Stunde.
Freundlich wohl mit Aug und Munde
Sinnt er Krieg im tückschen Frieden.
Hüte dich, sei wach und munter!

 

 
Der frohe Wandersmann (8:34)
Joseph von Eichendorff (1788 – 1857)

Wem Gott will rechte Gunst erweisen,
Den schickt er in die weite Welt.
Dem will er seine Wunder weisen
In Berg und Tal und Strom und Feld.

Die Trägen, die zu Hause liegen,
Erquicket nicht das Morgenrot.
Sie wissen nur von Kinderwiegen,
Von Sorgen, Last und Not um Brot.

Die Bächlein von den Bergen springen!
Die Lerchen schwirren hoch vor Lust!
Was sollt ich nicht mir ihnen singen
Aus voller Kehl und frischer Brust?

Den lieben Gott lass ich nur walten.
Der Bächlein, Lerchen, Wald und Feld
Und Erd und Himmel will erhalten,
Hat auch mein Sach aufs Best bestellt!